Peru 2

 

Böse Überraschung in Puno

 

Fortsetzung von Peru 1

 

Vom 14. Oktober bis zum 20. November 2015

 

Die Fotos zu diesem Bericht befinden sich am Ende des Textes.

 

Diese unglaubliche Geschichte haben wir deshalb veröffentlicht, damit andere Reisende nachvollziehen können, welche Probleme bei einer Reise durch Südamerika auftreten können. Sie soll auch klar machen, dass die viel gelobten Improvisations-Künste südamerikanischer Automechaniker ihre Grenzen haben. Die Informationen über die bolivianischen Behörden sollen helfen, in einem ähnlichen Fall richtig zu reagieren.

 

                "Das Leben wäre langweilig ohne Hindernisse!"

 

Denn wir müssen einen wichtigen und unangenehmen Teil unserer Reise noch nachtragen: Über 3 Monate lang konnten wir nicht fahren, weil unser RMB-Wohnmobil auf Basis Mercedes 410 D nicht repariert werden konnte. In 96 Tagen waren insgesamt 24 Automechaniker nicht in der Lage, unseren Mercedes fahrbereit zu machen. Dieser Alptraum eines Mercedes-Fahrers begann in Puno am Titicacasee: Dort müssen wir noch tanken, denn der Tank ist fast leer. Bei einer Tankstelle habe ich BIO-DIESEL gelesen. Das nehmen wir lieber nicht, denke ich. Bei einer UNA-Tankstelle steht an der Säule B5. Ich frage, ob das BIO-DIESEL ist. Der Tankwart sagt „B5“. Ich lasse 110 Liter volltanken. Wir fahren in der Dunkelheit zum östlichen Ortsrand und stellen uns auf einen schrägen geschotterten Weg. Kurz darauf klopft Omar, der Besitzer des Restaurants El Astillero de Huajje. Er lädt uns ein, im Innenhof seines Restaurants sicher zu übernachten. Wie sich später herausstellen sollte, ist Omar ein Engel.

 

Zwei Tage später wollen wir losfahren. Doch diesmal springt der Motor trotz vieler Versuche, Start-Spray und Starthilfe nicht an. Aber das sollte kein Problem sein. Denn in Deutschland haben uns mehrere Automechaniker versichert, ein Mercedes 410 D habe keine Elektronik wie die neuen Mercedes Sprinter und sei von jedem Dorfschmied zu reparieren … Wie sich aber im Laufe der nächsten Zeit herausstellt, beginnt heute eine lange, lange, nicht enden wollende Geschichte.

Ich überprüfe den Diesel-Vorfilter und –Hauptfilter. Ich reinige den eingebauten kaum verschmutzten Vorfilter und ersetze den Hauptfilter durch einen neuen. Trotzdem springt der Motor nicht an, auch nicht, als mir abends Omar nochmals mit seinem Auto Starthilfe gibt. Omar bestellt für morgen einen Automechaniker. Frühmorgens rufe ich in Deutschland bei einem befreundeten Mercedes-Mechaniker an. Er meint, wir sollten die Dieselleitungen entlüften. Schließlich kommt der von Omar arrangierte Mechaniker (Nr. 1), ein junger Bursche zu Fuß mit einem sehr kleinen Werkzeug-Köfferchen. Er sieht sich nach einigen Startversuchen mit Starthilfe-Spray alles ziemlich ratlos an. Ich vermute, dass der Motor den peruanischen Diesel B5 (Bio-Anteil 5 %) nicht verträgt und schlage vor, den Tank leer zu pumpen. Nach dem Abpumpen fahre ich mit dem Mechaniker in die Stadt. Dort stehen in einer Seitenstraße ein paar Leute mit Kanistern, in denen bolivianischer Diesel sein soll. Wir füllen in unseren 20 l-Kanister um und füllen das alles in den Tank unseres Campers. Der Mechaniker baut den Dieselfilter aus. Dabei läuft der Diesel über den Keilriemen und die Lichtmaschine. Er füllt neuen Diesel in den Filter, baut den Filter aber schräg ein, so dass dieser sich innen verbiegt, wie sich später herausstellt. Der Motor springt trotzdem nicht an. Der Mechaniker will nun die Einspritzpumpe ausbauen. Das würde 2 Stunden dauern und dafür will er 200 Soles haben. Ich sage ihm, dass das viel zu teuer ist, dass er schlecht gearbeitet hat und schicke ihn nach Hause. Er packt sein kleines Köfferchen und geht.

 

Ich fahre mit dem Motorroller in die Stadt auf der Suche nach besseren Mechanikern. Doch Werkstätten sind oft nur kleine Lädchen mit einem riesigen bunten Schild drüber oder mit halben Schrottplätzen dahinter. Schon den vierten Tag dröhnt von morgens bis abends die peruanische Musik des Restaurants aus den Lautsprechern. Vielleicht sind nur die Glühkerzen die Ursache. Aus Deutschland bekomme ich den Hinweis, dass auch die Einspritzpumpe defekt sein könnte. Parallel dazu haben wir immer wieder WhatsApp-Kontakt zum Deutsch sprechenden Automechaniker Heriberto in Villa General Belgrano/Argentinien. Er hat viel Erfahrung und war 8 Jahre in Freiburg in einer Werkstatt tätig. Er gibt uns viele nützliche Tipps. Ich finde die Firma Mecatronic von Walter und lese ihm meine Wünsche auf Spanisch vor. Mit 1 ½ Stunden Verspätung kommt Walter mit einem jungen Mann (Mechaniker Nr. 2+3) im klapprigen Mini-Bus vorbei. Ich erläutere ihnen das Problem und gebe ihnen die Informationen von Heriberto weiter. Sie aber lösen den Luftschlauch zu den Zylindern und sprühen bei 6 Startversuchen immer wieder mit Starthilfe-Spray direkt auf die Zylinderköpfe. Nichts hilft. Mit ihrem wenigen und zudem falschen Werkzeug können sie nicht einmal die Verschraubung zu den Glühkerzen lösen. Ich fahre mit ihnen im klapprigen Bus in die Stadt. Sie fragen bei sechs Autozubehör-Läden, ob sie Glühkerzen für Mercedes haben. Haben sie nicht. Mercedes-Glühkerzen gibt es wohl in Puno nicht. Dann fahren wir zu einem jungen Mann mit Rucksack (Mechaniker Nr. 4). Der hat wahrscheinlich das passende Werkzeug darin. Er öffnet seinen schwarzen Rucksack und holt eine kleine weiße Plastiktüte mit etwas Werkzeug und Testkabel heraus. Er scheint mehr Ahnung als die Anderen zu haben. Mit Kabel und einer kleinen Birne testet er die Funktion der Glühkerzen. Vier von fünf Kerzen funktionieren nicht.

 

Mit dem Bus fahren wir ins 300 km entfernte Cusco, dort mit dem Taxi weiter zur Mercedes-Werkstatt, wo ich hoffe, Glühkerzen für den Mercedes zu bekommen. Doch der Mechaniker hat keine da und in Cusco kennt der Mechaniker kein Geschäft, dass Mercedes-Glühkerzen hat. Nach telefonischer Rücksprache mit Mercedes Lima sagt er, dass es in ganz Peru keine Glühkerzen für unseren Mercedes gebe. Nach langem Suchen bekommen wir beim inzwischen zehnten Autozubehör-Laden schließlich doch die passenden Glühkerzen für unseren Mercedes. Wie konnten die Mercedes-Firmen so eine falsche Auskunft geben?

 

Zurück beim Wohnmobil in Puno springt der Motor trotz der neuen Glühkerzen nicht an. Auf Tipp von Heriberto kontrolliere ich die Masse-Verbindung und entlüfte die Dieselleitungen. Kein Erfolg. Ich fahre mit dem Roller in die Stadt, wo an einem Haus Technico Electrisita Automotivo steht. Der Besitzer hat im Moment zu tun. Ich soll in 2 Stunden wiederkommen und ihn mit dem Roller abholen. Ein Auto hat er natürlich nicht. Nach 2 Stunden komme ich wieder. Er drückt mir einfach nur eine Visitenkarte von Servicio Electrico Electronico MAGNETO in die Hand. Ich fahre zwei Blocks weiter und spreche mit Saul. Er macht erstmal Mittag und will um 13:30 Uhr beim Camper sein. Um 15 Uhr kommt er mit seinem Mitarbeiter (Mechaniker Nr. 6+7). Ich zeige ihm die Batterieversorgung. Er startet, der Motor läuft nicht. Er fragt nach Sicherungen für den Motor. Die gibt es nicht. Ich gebe ihm mein Mercedes-Handbuch. Wie jeden Tag dröhnt laute peruanische Musik über den Hof. Das nervt mit der Zeit, aber wir sind froh, hier sicher zu parken. Über Telefon und WhatsApp versuchen wir, weitere Tipps von Mercedes-Mechanikern aus Deutschland zu bekommen. Von dort kommt der Hinweis, die Einspritzpumpe überprüfen zu lassen. Die Leute von MAGNETO sagen, sie kommen um 14 Uhr, um die Einspritzpumpe auszubauen. Mit einer Stunde Verspätung kommen sie mit dem Taxi. Als „Werkzeug“ haben sie ein paar Kabel mit 2 Birnen und eine Batterie mit Kabel. Ich zeige ihnen, dass beim Starten der Motor 30 Sekunden läuft und dann ausgeht. Dann schließen sie ihre kleine Batterie an unsere Starter-Batterie an. Es kommt kaum Strom. Dabei habe ich ihnen schon vorher gesagt, dass unsere 3 Wohnteil-Batterien 450 Ampere haben, viel mehr als ihre kleine Batterie. Sie öffnen die Muttern der Einspritzdüsen und sagen, der Diesel müsste beim Starten viel kräftiger herausspritzen und nicht nur langsam laufen. Zunächst vermuten sie schlechtes Diesel, dann aber meinen sie, es liege an der Einspritzpumpe. Reparieren können Sie die Pumpe nicht. Sie sind nur Fachleute für Electric. Sie wollen aber einen Mechaniker holen. Inzwischen bin ich in diesen Tagen mit dem Roller wohl 20x die Strecke vom Restaurant zum Zentrum und zurück gefahren und kenne jede Schwelle, Bahnschiene und jedes Schlagloch. In einem kleinen Laden mit Mercedes-Logo kaufe ich doch noch 6 passende Glühkerzen zur Reserve. Siehe da! Und das wussten die einheimischen „Experten“ nicht! Am späten Nachmittag bei MAGNETO angekommen, fragt mich der Chef wie immer, wie es mir geht. Ich sage wie immer „Gut“. Dann fragt er ganz locker nach, ob der Motor angesprungen ist. Ich verneine. Ich sage ihm, dass er doch mit dem Mechanico zu mir kommen wollte. Er antwortet, er habe viel Arbeit. Ein sonniges Gemüt haben diese Peruaner, und kein Verantwortungsbewusstsein. Dann schickt er mich weiter zu Samuel in der nächsten Straße, dort stehe ein Schild. Nichts zu finden dort.

 

Ein anderer Mann schickt mich zur Werkstatt von F. Über der Werkstatt steht TORNERIA. Der Eigentümer Pedro ist ein rundlicher Typ mit mexikanischem Aussehen. Sein Sohn Julio Cesar arbeitet ebenfalls mit. Hinter dem Blechtor auf dem 20 x 20 m großen Grundstück stehen etwa 20 Fahrzeuge in mehreren Reihen, zum Teil Schrottautos schon seit Jahren. In einer Ecke unter einem rostigen Blechdach arbeiten ein paar Mechaniker an Motoren, Getrieben und anderen Teilen, ein heilloses Durcheinander. An einer Seite des Grundstücks eine Baracke mit Chaos-Büro und dahinter anscheinend das außen halbfertige Wohnhaus. Zwei bissige Hunde bewachen das Grundstück. Ich fahre mit dem Roller vorweg, Pedro und Julio fahren mit ihrem klapprigen Pickup hinterher. Am Camper um 18 Uhr kurz vor Dunkelheit angekommen, erkläre ich Ihnen nochmal, dass sie die Pumpe reparieren sollen. Sie aber bauen fix den Filter und Vorfilter aus, obwohl ich ihnen gesagt habe, dass sie neu bzw. in Ordnung sind. Dann lösen sie weitere Dieselleitungen. Immer wieder muss ich starten und es qualmt, aber der Motor läuft nicht. Jetzt meint Pedro, die Batterie sei wohl nicht in Ordnung. Ich erkläre zum wiederholten Male, dass ich zur 95 Ampére-Starterbatterie noch 450 Ampére von den Wohnteilbatterien per Starthilfekabel hinzugeschaltet habe, die 13 Volt bringen. Er glaubt mir nicht, holt seine Batterie, die weniger Leistung bringt als meine Batterien. Als er mit seinem viel zu dünnen Starthilfekabeln an die Wohnteil-Batterie kommt, macht es „Klick“ mit Funken. Jetzt ist die Sicherung vom Kühlschrank rausgesprungen. Ich sage „Final!“ für heute und bitte nochmals eindringlich, die Pumpe zu reparieren. F. sagt zu, dass die Pumpe morgen früh um 8 Uhr ausgebaut wird.

 

Natürlich ist am nächsten Tag kein Mechaniker von Firma F. um 8 Uhr da. Gegen Mittag fahre ich mit dem Roller zu Pedro, und frage freundlich, warum er um 8 Uhr nicht da war. Er sagt, er habe heute Morgen noch geschlafen. Er will aber um 14 Uhr beim Camper sein. Nach 15 Uhr ist Pedro schließlich mit seinem Sohn Julio Cesar und einem jungen Mechaniker (Nr. 8, 9 und 10) da und die beiden räumen gleich 2 große Batterien mit je 900 Ampere heraus und versuchen immer wieder, den Motor zu starten. Ohne Erfolg. Sie sind anscheinend Start-Experten. Mit meinem Starthilfekabel, denn ihres schmort, weil es viel zu dünn ist. Sie öffnen während des Startens die Leitungen zu den Einspritzdüsen, aber der Diesel läuft nach ihrer Meinung viel zu langsam. Sie meinen, der Diesel muss rausspritzen. Dann bauen sie (wie gestern bereits) wieder den Vorfilter und den Hauptfilter heraus. Am Hauptfilter stellen sie fest, dass die Gummidichtung nicht richtig sitzt, weil der erste Chaot-Mechaniker Nr. 1 den Diesel-Filter nicht richtig aufgeschraubt hat und dabei die Metallfassung eingedrückt hat. Ich gebe ihnen einen neuen Filter, der nun eingebaut wird. Bei der Gelegenheit bauen sie die ganze Fassung des Filters aus und prüfen die Öffnungen der Metallschrauben auf Verstopfung. Ist nicht der Fall. Nachdem alles eingebaut ist, starten sie den Anlasser. Aber zu den Einspritzdüsen kommt jetzt gar kein Diesel mehr. Vorher waren es wenigstens etliche Tropfen. (Ganz klar, dass kein Diesel kommt, wenn im Filter noch Luft ist). Ihre großen Batterien bringen nicht mehr genug Leistung zum Starten. Ich schließe meine Wohnteil-Batterien an und die Leistung ist viel besser. Aber der Motor springt trotzdem nicht an und es kommt immer noch kein Diesel zu den Einspritzdüsen. Die beiden meinen, zum Tank kommt nicht genügend Luft. Sie öffnen den Tankverschluss. Keine Änderung. Als sie an die Schläuche zum Tank wollen, sage ich „NO!“ Ich hole den vollen Reservekanister und zeige ihnen den Schlauch, mit dem Sie den Kanister mit dem Vorfilter verbinden sollen. Dann wird sich zeigen, ob Diesel bei den Einspritzdüsen ankommt. Sie machen das aber nicht. Sie machen ihr eigenes Ding. Sie rätseln und diskutieren und entscheiden sich schließlich nach 2 Stunden, die Einspritzpumpe auszubauen und zu überprüfen. Genau das war mein Auftrag gestern und nicht diese unnötigen Arbeiten, mit denen sie sich bisher beschäftigt haben. Nun kommt Eric, der elfte Mann, der vor unserem Camper steht. Er spricht wenigstens Englisch und übersetzt. Die anderen drei stehen kleinlaut da. Der Mechaniker Vidal baut inzwischen den Kühler aus und arbeitet sich weiter zur Einspritzpumpe vor. Dann wird es aber dunkel und es beginnt etwas zu regnen. Die vier verabschieden sich und sagen, sie kommen „Manana“ wieder.

 

Manana heißt eigentlich morgen, kann aber auch irgendwann später bedeuten. Ich frage, ob sie tatsächlich morgen, also Sonntag wiederkommen. Sie sagen ja, um 8 Uhr. Am Sonntag kommen die Drei nach 9 Uhr. Der junge Mechaniker baut die Einspritzpumpe aus. Dann fahren die Drei mit der Pumpe zum Laboratorio, um sie überprüfen zu lassen. Sie wollen gleich wieder da sein. Nach 1 ½ Stunden kommt Julio Cesar zurück und sagt, dass er „Manana“ um 9 Uhr mit der Pumpe wieder hier sei. Das Laboratorio überprüfe heute noch. Am nächsten Tag um 9 Uhr kommt niemand. Den ganzen Tag kommt niemand. Wir warten und warten und warten, können den ganzen Tag nichts unternehmen. Am übernächsten Tag um kurz vor 10 Uhr kommen Julio Cesar und der junge Mechaniker Vidal mit der Pumpe. Mit nur 25 Stunden Verspätung. Sie sagen, im Laboratorio sei diese geprüft worden. Innen sei eine Blockierung oder ähnliches beseitigt worden. Jetzt sei die Pumpe in Ordnung. Hoffnung keimt auf. Bis 14 Uhr werden die Pumpe, die Leitungen, andere Teile und der Kühler wieder eingebaut und angeschlossen. Beim Test springt der Motor nicht an. Alles wie vorher. Bis 16 Uhr machen die Leute Mittag. Als sie zurückkommen, haben sie wieder die 2 großen Batterien je 900 Ampere dabei und schließen eine an die Starterbatterie an. Sie verbinden die Batterien nicht nur mit meinem dicken Starthilfekabel, sondern auch mit ihrem dünnen Kabel. Der Motor springt nicht an. Dafür schmort ihr viel zu dünnes Kabel und der beißende Geruch verteilt sich im Inneren unseres Campers. Sie sagen, es kommt immer noch nicht genug Diesel zu den Einspritzdüsen. Immer wieder testen sie und schrauben ab und wieder zu. Es ist dunkel und die Burschen haben noch nicht einmal eine vernünftige Lampe dabei. Der Mechaniker benutzt die Handy-Beleuchtung! Wieder Startversuche. Wieder stinkt ihr Kabel. Um 18:30 Uhr geben sie auf und packen ihre Sachen. Sie wollen morgen wieder kommen, die Pumpe wieder ausbauen und nochmals überprüfen lassen. Ich erinnere deutlich daran, dass doch heute Morgen klar gesagt wurde, dass die Pumpe geprüft wurde und in Ordnung sei. Ich sage auch deutlich, dass das doch unfassbar ist und ich nicht verstehen kann, warum die Pumpe wieder ausgebaut werden soll. Da wird mir doch tatsächlich erklärt, bisher habe man nur eine „SICHTPRÜFUNG“ durchgeführt. Es ist nicht zu glauben! Aber wir sind diesen „Experten“ ausgeliefert. Wie in den vergangenen Tagen haben wir auch heute WhatsApp-Kontakt mit unserem Mechaniker Heriberto aus Belgrano/Argentinien. Er gibt uns wie immer viele gute Tipps, sogar auf Spanisch für die Mechaniker. Aber die machen ihr eigenes Ding.

 

Am nächsten Tag um 9:30 kommt Vidal mit einem Mann (der 12.). Vidal baut in 2 Stunden die Einspritzpumpe aus. Nach 5 Tagen warten fahre ich zur Werkstatt F. und frage wegen der Pumpe. Pedro zeigt mir auf seinem Handy ein Video. Dort ist zu sehen, wie unsere Pumpe an einem großen Testgerät geprüft wird. Heute Nachmittag soll sie eingebaut werden. Hahaha! Natürlich kommen sie am nächsten Tag nicht und auch am übernächsten Tag lässt sich niemand blicken. Als wir nach 3 Tagen bei der F.-Werkstatt ankommen, liegen auf der Ladefläche des Pickups an der Straße die Pumpe und die anderen Teile. Julio Cesar erklärt, dass Ventile der Pumpe verstopft waren und er erst neue passende Ventile von Toyota besorgen musste. Außerdem seien Synchronisierungen an der Pumpe vorgenommen worden. Der Anlasser wurde schließlich auch repariert. Bei ihm seien Innenteile ausgeschlagen gewesen, so dass er nicht richtig rund lief. Hoffnung keimt bei uns beiden wieder mal auf. Zurück beim Camper baut Vidal alle Teile ein. Die Luft ist aus den Leitungen heraus, der Diesel spritzt Richtung Einspritzdüsen. Der Motor springt nur kurz an für 30 Sekunden, mit viel Qualm. Immer wieder starten sie, aber der Motor springt nicht mehr an. Nach 6 Stunden beginnt es zu regnen und sie machen Schluss. Ratlosigkeit bei ihnen, erneute Hoffnungslosigkeit bei uns. Ich fühle mich in meiner schon ganz am Anfang geäußerten Befürchtung bestätigt, dass dies eine unendliche Geschichte wird. Am Nachmittag des nächsten Tages bauen die Mechaniker die Injectores aus, zur Überprüfung. Am übernächsten Tag werden die Ventildeckeldichtung und andere Teile abgebaut. Hoffentlich kriegt der Mechaniker wieder alles zusammen. Am Nachmittag ist er fertig. Beim Test springt der Motor an. Hoffnung keimt wieder mal auf.

 

Am nächsten Tag kommt der Mechaniker mit einem Mitarbeiter vom Laboratorio (Nr. 13). Der Wagen springt an, kommt aber schlecht in Gang. Nach dem Vor- und Rückwärtsfahren geht der Motor aus. Nach mehrfachem Test plötzlich ein Knall: Die Bremse hinten links saß fest und hat sich nun gelöst. Wir haben Hoffnung, dass das der Grund war. Vielleicht können wir heute noch nach Chile weiterfahren. Warum füllen sie den Kühler nicht vollständig mit Wasser? Langsam rollen wir nach einer halben Stunde vom Hof. Nach hundert Metern ist die Temperatur fast im roten Bereich. Kein Wunder, wenn jede Menge Kühlwasser fehlt. Wasser wird endlich nachgefüllt. Wir starten wieder, erreichen die Innenstadt von Puno, kommen an die Kreuzung mit der tiefen Regenrinne. Stau. Der Motor geht aus, springt schlecht an. Immer wieder Gehupe hinter mir, obwohl ich die Warnblinkanlage eingeschaltet habe. Dann endlich springt der Motor wieder an und wir fahren auf der Hauptstraße, später rechts ab in die Seitenstraße, wo sich die F.-Werkstatt befindet. Wir stehen ziemlich schräg vor der Mauer der Werkstatt. Wieder wird der Motor erfolglos gestartet, der Kühler und Einiges mehr ausgebaut. Immer wieder kommt der Mechaniker Vidal mit seinem dreckigen, öligen Overall und seinen ölverschmierten Händen in den Camper, kriecht vorn herum und startet ohne Erfolg. Dann stellt er wieder vorn bei der Steuerkette die Synchronisation der 5 Zylinder anders ein. Ohne Erfolg, der Motor springt nicht an. Heute Morgen ist er wenigstens angesprungen. Unsere Hoffnung schwindet immer mehr. Julio saugt Diesel aus dem Tank an, testet, kann aber nichts Besonderes feststellen. Ich hätte nie gedacht, dass ich nach 4 Wochen Stillstand noch solche Geduld haben kann und nicht ausflippe. Ich bin recht ruhig, bin wohl schon völlig abgestumpft, habe mich und uns dem Schicksal ergeben. Zwischendurch haben wir wie fast jeden Tag ständig WhatsApp-Kontakt mit Heriberto in Argentinien. Eigentlich wollten wir jetzt schon in Patagonien sein. Draußen fummeln sie wieder am lockeren Innenleben des Mercedes neben der Steuerkette herum. Auf meine Frage, ob es Probleme gibt, erhalte ich die Antwort: No Problema. Das ist für mich verdächtig: Den Satz kenne ich noch aus Mexico 1988, als wir mit unserem kleinen Mitsubishi-Wohnmobil 10 Tage in der Wüste liegengeblieben sind und der junge mexikanische Mechaniker entsprechend antwortete, nachdem ihm das neue Radlager in den feinen Sand gefallen war. Langsam wird es dunkel und es beginnt etwas zu regnen. Mechaniker Vidal startet, der Motor springt an, läuft aber nicht rund. Immer wieder startet er ohne Erfolg. Eric sagt, morgen käme jemand, der den gleichen Mercedes fährt wie wir. Hahaha! Wir sagen Muchas Gracias und Buenas Noches zu Julio und Vidal, die im strömenden Regen zum Werkstattgelände schlendern.

 

Wir sind weiter gefangen am Titicaca-See. Am nächsten Tag kommen Julio und Vidal, wollen weiter ausprobieren. Julio sagt, er hat überlegt und überlegt. Ja, Mühe geben sie sich. Unter dem Camper eine große schwarze Öl-Lache. Darüber legt Vidal eine Matte und arbeitet. Bis Mittag schraubt der inzwischen 14. Mann zusammen mit Vidal am Motor rum. Dann kräftiger Regen, Feierabend. Manana soll es weitergehen. Julio sagt, er muss die Synchronisation von der Einspritzpumpe zur Steuerkette fertig machen. Ich mache ihm unmissverständlich klar, dass morgen ihr letzter Arbeitstag an unserem Mercedes ist. Wenn der Wagen dann nicht läuft, rufe ich Mercedes La Paz oder Mercedes Lima an, dass die einen fähigen Mechaniker herschicken.

 

Am nächsten Tag arbeiten die F.-Mechaniker ab 10 Uhr für eine gute Stunde. Ich sage Pedro nochmals, dass sie heute alles komplett zusammenbauen sollen. Der Mechaniker Vidal baut inzwischen wieder alles aus und testet. Es klappt wieder nicht. Wie kann ich hier nur so ruhig bleiben? Inzwischen baut Vidal wieder alles zusammen kommt und macht viele Startversuche. Er will den Motor mit Macht zum Laufen bringen, immer wieder. Dann ein lauter Schrei seines Kollegen von draußen. Ich gehe raus und sehe, dass er vergessen hat, eine Ölleitung anzuschließen. Zur bisherigen Öl-Lache kommt nun eine weitere große hinzu. Vidal wischt das Öl halbwegs weg und schließt nun die Leitungen an. Immer wieder neue Startversuche. Dann plätschert Wasser. Jetzt wird wohl der Kühler wieder mal ausgebaut. Ich befürchte, die machen immer mehr kaputt. Denn der Motor nagelt bei den kurzen Laufzeiten sehr laut. Ich höre, wie sie immer wieder sagen „Bomba“ (Pumpe), „Blanco“ (weißer Rauch), und „Arranca“ (Anlasser). Gegen 18 Uhr dämmert es und die werkeln immer noch. Ein schlechter Traum wird hier wahr! Die Öl- und Wasser-Lache zieht sich unter dem Camper und noch 10 Meter weiter die Straße runter. Ich sage Pedro in Spanisch-Stichworten klipp und klar, dass ich ihm heute Morgen den Auftrag gegeben habe, bis heute Abend alles wieder zusammen zu montieren. So viele Teile liegen draußen noch ausgebaut herum. Ich sage, morgen rufe ich einen Spezialisten von Mercedes an. Pedro redet was von Katalogo Mercedes und zeichnet mit seinen öligen Fingern auf dem Camper drei Punkte der Steuerkette, die passen müssen. Ich sage Pedro, dass allein sie nun schon 2 Wochen am Camper rumwerkeln und wir schon insgesamt 4 Wochen nicht fahren können. Sage ihm, dass wir beide je schon 5 Kilo abgenommen haben und dass die Nerven bei uns blank liegen. Wir wollen „Vamos“ (weg hier). Pedro grinst. Draußen tut sich nichts mehr. Abends klopft Pedro an die Tür und fragt nach Fahrzeugdaten. Wir geben ihm das Blatt. Es beginnt zu regnen, die Teile liegen noch draußen im Freien auf dem Abwasserkanal-Deckel. Gibt es überhaupt noch eine Steigerung dieses Chaos??? Später klopft es und Pedro sagt, morgen käme ein Mecanico Specialiste von Mercedes aus Lima nach Puno. Wie hat er den denn plötzlich aus dem Hut gezaubert? Da stimmt doch was nicht. Das Durcheinander nimmt kein Ende. Wer weiß, was das für ein „Spezialist“ ist und was dem noch Neues einfällt.

 

Am nächsten Tag um 9 Uhr kommt Pedro und sagt, dass um 9 Uhr (also sofort????) der Mercedes-Mechaniker aus Lima kommt. Hahaha! Zwei Stunden lang baut der Mechaniker Vidal wieder den Kühler und alles andere a u s! Ein Mercedes-Mechaniker ist nicht zu sehen. Alle ausgebauten Teile liegen draußen rum, der Wind bläst den feinen Staub umher. Ab 14:30 Uhr basteln Vidal und Pedro wieder vorn herum. Ein Mercedes-Mechaniker ist immer noch nicht zu sehen. Wie so oft in den letzten Wochen hoffe ich, dass sie alles wieder richtig einbauen und nicht noch mehr kaputt machen. Draußen wird geflucht „Mierda“ (Scheiße). Irgendetwas klappt nicht. Jedes Klackern des Motors bei den vielen Startversuchen tut mir weh. Jetzt bauen sie den Ventilator und alle Frontteile des Motors ab. Warum? Warum warten die nicht, bis der Mercedes-Mechaniker kommt? Offensichtlich wollen sie an die Steuerkette ran. Sie sagen, sie müssen alles abbauen, damit sie die Synchronisation der Steuerkette mit der Pumpe durchführen können. Viele Teile liegen draußen herum. Immer wieder das Klacken der Werkzeuge, immer wieder die Startversuche mit dickem Dieselrauch im Fahrzeug. Und seit 5 Wochen muss immer jemand von uns im Fahrzeug sein, damit wir drinnen unsere Wertsachen nicht hinterher alle doppelt haben. Das Selbstvertrauen der F.-Truppe ist unerschütterlich! Jetzt haben sie auch die Zylinderkopfdichtung abgebaut. Nimmt das denn kein Ende? Es ist alles unfassbar. Es ist ein Alptraum! Der Mercedes-Mechaniker kommt nicht. Der Hintergrund für die unerschütterlichen Aktivitäten der F.-Truppe ist wahrscheinlich, der Wille, Geld zu verdienen und der Stolz, dass man alles reparieren kann. Das Letztere trifft jedenfalls bei uns nicht zu. Was sollen wir jetzt als nächstes veranlassen? Sobald alles wieder eingebaut ist, wollen wir uns nach La Paz abschleppen lassen. Aber: Was haben die in Puno hier für Abschleppfahrzeuge? Es wird dunkel. Mechaniker Vidal schleppt die vielen Teile alle einzeln (statt im Karton) hinter die Mauer zur Chaoten-Werkstatt mit Erd-Sand-Boden, hoffentlich wenigstens unters Dach.

 

Am nächsten Tag Um 8 Uhr stehen Pedro und Julio Cesar vor dem Camper. Ich will ihnen gerade sagen, dass sie die Firma Dive Motor aus Lima beauftragen sollen. Vorher frage ich, wann denn der Mechaniker von Mercedes kommt. Sie sagen, um 8:30 Uhr. Ich sage, der sollte doch schon gestern um 9 Uhr hier sein. Pedro sagt, vorher sollten sie vorn schon alles ausbauen. Dann holt er mich in sein schmuddeliges Büro seiner verdreckten Hof-Werkstatt. Dort zeigt er mir im dicken Buch den Mercedes-Teil. Dabei erklärt er, was noch gemacht werden muss hinsichtlich der Synchronisation. Ich verstehe nichts, sage nur, dass wir nach fünf Wochen Zwangsaufenthalt weg wollen aus Puno. Später sitzt Julio Cesar mit Pedro und einem andern Mann vor dem Motor. Das ist nun schon der 15. Mann, der an unserem Camper rumwerkelt. Auf seiner Baseball-Mütze steht „Herbalife“. Versuchen die jetzt schon, unserem Camper mit einer Ernährungsberatung auf die Sprünge zu helfen? Angeblich soll der Mercedes-Mechaniker auch schon da gewesen sein. Momentan sei der nicht da, käme aber angeblich gleich wieder. Wir sehen ihn den ganzen Tag nicht. Auf meine Frage, wann denn alles wieder eingebaut wird, heißt es „del dia“ (im Laufe des Tages). Pedro zeigt mir an der Steuerkette drei Punkte, die mit der Einspritzpumpe aufeinander abgestimmt sein müssen. Draußen rätseln die Drei mit den Schrauben herum, als ob etwas nicht stimmt. Was soll das? Wir zweifeln, dass die das jemals wieder richtig zusammenbauen. Wir sind denen hilflos ausgeliefert. Dabei habe ich denen überhaupt nicht den Auftrag gegeben, alles wieder auseinanderzunehmen. Mein letzter Auftrag war vorgestern, alles wieder zusammenzubauen. Und jetzt liegen draußen mehr Teile herum, als jemals zuvor. Was wollen die hier beweisen? Als ich am Nachmittag von der Stadt zurückkomme, steht ein neuer Mechaniker (der 16. Mann) vor dem Motor. Das ist der Mercedes-Mechaniker, denke ich. Angeblich aber soll inzwischen der Mercedes-Mechaniker hier gewesen sein und habe ihnen die richtige Einstellung der 3 Punkte an der Steuerkette gezeigt. Aber die Steuerkette würde nicht passen, habe zu viel Spiel. Dann sagt Pedro, der Mercedes-Mechaniker habe gesagt, dass etwas mit dem Motor nicht stimme. Das ist ganz was Neues. Wieder wird gestartet, der Motor springt nicht an. Dann rufen sie laut STOP! Ich gehe nach draußen und sehe eine neue große schwarze Öl-Lache unter dem Motor. Ich gebe die klare und unmissverständliche Anweisung, dass alle Teile komplett wieder eingebaut werden sollen. Anschließend werden wir einen Abschleppdienst beauftragen, der den Camper nach La Paz bringt. Wir wollen nach fünf Wochen endlich raus aus Puno, raus aus Peru. Ich sage, dass wir anerkennen, dass die Firma F. sich Mühe gegeben hat. Aber in 18 Tagen haben sie es nicht geschafft, unser Fahrzeug zu reparieren.

 

Am nächsten Tag fahre ich mit dem Tuk Tuk in die Stadt und frage schließlich einen Polizisten wegen eines Abschleppdienstes. Der telefoniert und nach 15 Minuten kommt ein klappriger schwarzer PKW mit dem fülligen Marco Antonio und seinem Mitarbeiter Christian. Wir fahren zum Camper. Ich zeige ihnen unsere Abschleppstange. Ihren Preis handele ich auf die Hälfte herunter. Ich sage, ich will aber erstmal das Abschleppfahrzeug sehen. Am Morgen hatte ich bereits zwei andere uralte Abschleppfahrzeuge in einer Seitenstraße gesichtet. Die machten den Eindruck, dass ich eher die abschleppen muss, als die mich. Am Firmengelände sehe ich einen Abschleppwagen, der den Eindruck macht, als könnte er unseren Camper ziehen. Das Fahrzeug ist zwar auch nicht das Beste, die Türen lassen sich kaum schließen, aber er ist wenigstens vorn neu in Silbermetallic gespritzt. Er sagt, er werde zum Abschleppen an seinem Fahrzeug heute hinten noch etwas anschweißen lassen. Wir vereinbaren, dass wir morgen früh um 6 Uhr zur Grenze abfahren. Als ich am Camper zurück bin, bauen 2 Mechaniker (Vidal und der 17. Mann) die restlichen Teile wieder ein. Dann nach etlichen Anlassversuchen mit Starthilfe-Spray und viel Gas geben ist die ganze Straße und unser Camper innen voll weißem Qualm aus unserem Auspuff. Wieder mehrere Startversuche, erfolglos. Dann liegen sie wieder unter dem Camper und verändern die Einstellung der Steuerkette. Wieder Anlassen, aber der Motor geht noch schneller aus. Wieder liegen sie drunter und immer wieder kommt Julio in den Camper, um den Motor zu starten. Wieder erfolglos. Dann sage ich laut und deutlich: F I N A L (Schluss). Pedro meint noch, die Einstellung müsste nur noch etwas verstellt werden. Sie bräuchten nur noch einen Tag.

N A D A ! (Nichts da!) F I N A L ! (Schluss!) sage ich unmissverständlich. Ich bitte sie, noch die Antriebswelle auszubauen, weil sonst beim Abschleppen das Getriebe kaputt gehen würde. Das machen dann drei Mann. Sie kriechen unter dem Fahrzeug rum, ohne das auch nur einen Zentimeter aufzubocken. Wir zahlen die Rechnung, sagen „Gracias“ und „Adios“ (das „Auf Wiedersehen“ meinen wir natürlich nicht ernst) und hoffen, dass diese Geschichte endlich in Bolivien ein gutes Ende findet. In der Nacht mache ich mir nochmals Gedanken und befürchte, dass der weiße Rauch einen Schaden der Zylinderkopfdichtung bedeutet. Am Morgen öffne ich den Kühlerdeckel und fasse in das Kühlwasser. Mein Finger ist auch mit einem schwarzen Ölfilm bedeckt. Das könnte auf eine defekte Zylinderkopfdichtung oder Zylinderkopf hindeuten. Am Ölmessstab fehlen 2 Liter Öl. Gestern sagten sie noch, das Öl sei in Ordnung. Julio Cesar kommt. Ich zeige ihm den öligen Finger und gebe ihm einen Zettel, auf dem in Spanisch steht: „Zylinderkopf defekt. Das war vor einer Woche nicht. Kaputt-Reparatur. Danke!“. Zum Schluss sage ich „Bullshit“, „Scheiße“ und „Mierda“!. Julio Cesar sagt kein Wort und zieht bedröppelt ab. Was steht doch auf dem Schild über dem Eingangstor zur Werkstatt: TORNERIA. SCHRAUBENDREHER! Stimmt!!!

 

Um 6 Uhr sollte eigentlich der Abschleppdienst kommen. Wir warten und warten. Um 8 Uhr kommt Marco Antonio mit Beifahrer im Abschleppwagen. Er sagt, er müsse nur noch kurz Luft auf die Reifen pumpen. Wie ich sehe, hat er hinten am Abschleppfahrzeug nichts anschweißen lassen. Er sei in 20 Minuten wieder da (peruanische Rechnung). Marco Antonio weiß ja, dass heute Nachmittag auf der anderen Seite der Grenze der bolivianische Abschleppwagen auf uns wartet. Diesen hat Ernesto Hug aus La Paz freundlicherweise für uns arrangiert. Wir warten, und warten, und warten. Was ist das für eine Mentalität hier in Peru. Die Peruaner geben es uns wirklich bis zum Letzten. Nach dem Motto: Seid froh, wenn wir überhaupt wiederkommen. Warten ist hier üblich, keinen schert es. Hier darf man keine anderen Maßstäbe anwenden. Das fällt uns aber schwer, nach inzwischen 5 Wochen Zwangsaufenthalt in Puno. Das geht auf die Nerven und die dünne Luft in 4.000 m Höhe macht uns auch zu schaffen. Man kann sich denen hier nur ergeben, hat keine andere Wahl. Sollen wir weinen oder lachen? Wer als Reisender hier depressiv veranlagt ist und ein Reparatur-Problem hat, ist hier in Peru nicht richtig. Hier braucht man ein dickes Fell. Drei Stunden warten wir hier nun schon und der Abschleppwagen kommt nicht. Dass dieser Transport viel zu spät kommt, juckt Marco Antonio anscheinend überhaupt nicht. Inzwischen ruft uns Ernesto an und sagt „Scheiß Bolivien“! Die bolivianische Abschleppfirma hat angerufen und mitgeteilt, dass der Fahrer des Abschleppwagens nicht zum Dienst erschienen ist. Ernesto will alles Mögliche versuchen. Ich sage, dass wir uns auf jeden Fall über die Grenze bringen lassen werden. Wir halten Kontakt. Wenn ich einen anderen Abschleppdienst in Puno kennen würde, hätte ich Marco Antonio mit seinem Vehiculo schon längst in den Titicacasee geschickt. Aber wir sind denen mal wieder restlos ausgeliefert. Später kommt ein junger Bursche mit Mütze und einer großen Abschleppstange, die noch heiß vom Schweißen ist. Um 10:30 Uhr kommt der Abschlepp-LKW mit Marco Antonio am Steuer. Keine Entschuldigung wegen insgesamt viereinhalbstündiger Verspätung kommt ihm über die Lippen. Sie stellen fest, dass die Abschleppstange für unsere Abschleppvorrichtung vorn zu dick ist. Ich messe nochmals die Bolzen und stelle fest, dass der Bolzen an der einen Seite etwas dünner ist. Ich drehe die Abschleppstange und tatsächlich passt sie nun gerade so an unseren Camper. Aber die Burschen haben noch nicht einmal Schraubenschlüssel zum Befestigen der Muttern an den Bolzen dabei. Armes Peru! Ich gebe ihnen meine beiden Wasserpumpenzangen und Pedro gibt ihnen einen großen Schraubenschlüssel zum Befestigen der Muttern. Die Schrauben der Bolzen sind aber total verrostet, daher lassen sich die Muttern nicht richtig festziehen. Nach einiger Zeit gibt Pedro dem Marco Antonio daher Öl. Dann befestigen sie den Kran mit Stricken und Schnallen mit Ratschen am Rahmen, stecken Holzklötze dazwischen, ziehen immer wieder nach. Irgendwie trauen sie ihrer Konstruktion wohl selber nicht so recht. Ich bereite mich innerlich schon auf die Bewältigung von Notsituationen vor, wenn sich während der Fahrt irgendwas löst. Mann, oh Mann, das wird ein harter Tag!

 

Um 11:40 Uhr fahren wir los, mit nur knapp 6 Stunden Verspätung. 150 km Abschleppen liegen vor uns. Marco Antonio fährt vorsichtig über die Schwellen von Puno und dann mit 30 bis 40 km/h auf der Landstraße am Titicaca-See entlang. Wenn es bergauf geht, muss Marco Antonio zunächst anhalten. Die Fahrzeuge der Schlange hinter uns hupen. Nach 30 Sekunden endlich hat er im Stand den ersten Gang irgendwie reingeknallt und es geht langsam, ganz langsam mit 10 km/h bergauf. Hoffentlich schaffen wir den Berg. Autoschlange hinter uns. Plötzlich ein lauter Knall: Bei einem entgegenkommenden LKW ist direkt neben uns ein Reifen geplatzt. Gut, dass der uns nicht um die Ohren geflogen ist. Später müssen wir nochmal 200 Meter Höhenunterschied bewältigen. Wieder halten wir an und Marco Antonio haut mit einem schönen Gruß vom knirschenden Getriebe den ersten Gang rein. Geschafft! Um 17:45 kommen wir in der Grenzstadt Desaguadero an. Die Hauptstraße ist wegen des Marktes mit Mini-Bussen auf beiden Seiten vollständig blockiert. Kein Durchkommen! Also auf Umwegen über holprige Erdstraßen mit Schlaglöchern und Schwellen, knapp an Marktständen und Rikschas und Tuk Tuks vorbei. Auf beiden Seiten fehlen manchmal nur 10 cm. Es ist schon dunkel, als wir direkt an der Plaza anhalten. Wir gehen durch die dürftig beleuchteten und belebten Straßen, in denen tausende Marktstände aufgebaut sind. Nach etwa 500 m sind wir an der Grenze und begeben uns zur peruanischen Migratión, wo wir uns die Ausreisestempel geben lassen. Anschließend geben wir die Fahrzeuggenehmigungen für Camper und Roller beim Zoll ab. Vor der Brücke nach Bolivien ist ein langer Stau von Transport-Fahrrädern, die teilweise bis zu 3 m hoch mit Waren bepackt sind. Sie wollen rüber nach Bolivien. Tausende Standbetreiber kommen nur am Ende des Markttages an der Plaza vorbei, ihre Transportfahrräder sind hoch bepackt. Dazwischen Taxis, Tuk Tuks und viele Fußgänger. Ernesto lässt per Telefon ausrichten, dass der bolivianische Abschleppwagen erst morgen früh um 8 Uhr an der Grenze sein wird. Um 20:45 Uhr lässt der Strom der Vorbeiziehenden nach und Marco Antonio setzt unsere Fahrzeuge Richtung Grenze in Bewegung. Als wir um die Ecke biegen, müssen für uns Marktstände und Rikschas beiseite geräumt werden. Dann die nächste Überraschung: Die Grenze ist geschlossen, und zwar seit 20 Uhr. Das wusste Marco Antonio wohl auch nicht. Peru will uns einfach nicht loslassen … Wir stehen direkt vor dem Grenzbalken, neben uns die kleinen Stände der Geldwechslerinnen. Hinter uns stehen Fahrzeuge und die Gegenfahrbahn ist wegen Kanalarbeiten vollständig aufgerissen. Einen Meter hoch ist neben uns ein Erdwall aufgeschüttet.

 

Marco Antonio bittet mich um meine beiden Wasserpumpen-Zangen. Die Burschen wollen die Abschleppstange jetzt lösen und nach Hause fahren. Das restliche Geld wollen Sie von mir natürlich auch noch. Ich sage, ich habe eine Vereinbarung mit Marco Antonio, dass er uns rüber nach Bolivien bringt. Hier ist aber noch Peru. Marco Antonio meint, den Camper könne man doch über die Brücke schieben. Ich sage, dass das Fahrzeug fast 5 Tonnen Gewicht hat. Er sagt, das sei kein Problem, wenn 10 Mann schieben. Ich sage ihm in meinem einfachen Spanisch „Usted primero“ (Du bist dann aber der Erste). Er lacht. Er meint, sie könnten doch nicht die ganze Nacht bis morgen hier stehen bleiben. Ich sage, das müssen wir doch auch. Draußen ist der Fahrer eines Mini-Buses auf der Suche nach Fahrgästen und ruft stundenlang immer wieder laut „Puno, Puno“. Das geht uns auf den Geist, und schließlich kommen wir von Puno gerade her und wollen da auf keinen Fall wieder hin, nach 5 Wochen. Um 23:30 Uhr bauen die Geldwechslerinnen ihre Mini-Stände neben unserem Camper ab.

 

Am nächsten Morgen um 4:30 Uhr klopft es an unserer Wohnmobiltür, eine der Geldwechslerinnen. Sie bauen gerade ihre kleinen Ministände direkt neben unserem Camper wieder auf und wir stehen im Weg. Ich mache ihnen klar, dass wir wegen Motordefekts nicht selbst fahren können und an der Abschleppstange hängen, auf die ich zeige. Das ist denen egal und sie sind ziemlich unfreundlich. Ich informiere Marco Antonio und der fährt ein Stück vor. Er und seine beiden Helfer haben in der ziemlich kalten Nacht im LKW im Sitzen geschlafen. Die sind das wohl gewohnt. Ich bringe ihnen heißen Kaffee, sie bedanken sich. Endlich können wir über die Grenzbrücke geschleppt werden. Dann wird die Abschleppstange abmontiert und wir bezahlen Marco Antonio für das Abschleppen.

 

(Fortsetzung dieses Debakels siehe unter Bolivien 9)