Bolivien 7

 

Von La Paz bis Coroico

 

Vom 07. bis 09.10.2015

 

Fortsetzung von Bericht Bolivien 6

 

Die Fotos zu diesem Bericht findet man am Ende des Textes.

 

Wir lassen unser RMB Wohnmobil für einige notwendige Wartungsarbeiten in der vorbildlichen Werkstatt von Ernesto Hug in La Paz stehen.

 

Mit dem Motorroller machen wir eine unvergessliche Tour über den Abra La Cumbre und den Camino de Muerte (Todesstraße) nach Coroico. Über den Paso La Cumbre in die Yungas In La Paz ist früh am Morgen noch wenig Verkehr und die Fahrzeuge, die unterwegs sind, ignorieren wieder mal die roten Ampeln. Von 3600 m an fahre ich ständig bergauf zum Pass Abra La Cumbre auf 4725 m. Oben ist es kalt aber wolkenlos und ich fahre zunächst noch zum Kreuz, wo Reisende für eine glückliche Weiterreise gebetet und kleine Geschenke hinterlassen haben.

 

Nach einiger Zeit kommt Tina mit dem Taxi an. Mit uns beiden hätte der Roller die steile Auffahrt nicht geschafft. Wir rollern nun gemütlich bei herrlichem Wetter und toller Fernsicht vom Pass bergab. Insgesamt werden wir auf einer der spektakulärsten Straßen der Welt auf 69 km einen Höhenunterschied von 3500 m bewältigen: Von der kargen Hochgebirgswelt hinunter in die subtropischen Yungas, wo die Bananen wachsen. Steil ragen die Berge aus dem Tal empor, tief unten sehen wir manchmal den wilden Fluss. Wir fahren auf guter Teerstraße zunächst in weiten Windungen, dann durch Tunnel und immer wieder genießen wir diese einmalige Landschaft. Camino de Muerto (Straße des Todes) Dann biegen wir rechts ab auf die alte enge Schotterstraße, die als Camino de Muerto, die Straße des Todes bezeichnet wird. Der Weg bestand schon zu Zeiten der Inka. Bis 2006 war diese Straße noch die Hauptverbindung zwischen der Millionenstadt La Paz und dem Tiefland. Der gesamte Waren- und Personenverkehr musste sich an dieser meist einspurigen Strecke aneinander vorbei schlängeln.

 

Auf der einen Seite ragen oft Felswände in den Himmel, auf der anderen Seite klaffen oft bodenlose Abgründe bis zum dicht bewachsenen Urwald der Yungas. Wenig Absicherung durch Leitplanken, glitschiger Untergrund und manchmal von oben herabstürzende kleinere Wasserfälle und Erdrutsche, aber vor allem der Gegenverkehr machten und machen noch heute die Fahrt auf dieser Straße zu einem Abenteuer. Regelmäßig fielen LKWs und auch Reisebusse über die Steilkante in die Tiefe mit teilweise bis zu hundert getöteten Menschen pro Jahr. Viele Kreuze am Wegesrand erinnern daran. Auf dieser Straße herrscht Linksverkehr. So kann der nach unten Fahrende aus dem Fenster besser beurteilen, wie weit die Abbruchkante von den linken Reifen entfernt ist. Daher war besonders die Fahrt nach unten gefährlich und führte zu tödlichen Abstürzen. Auch heute gilt diese Regel noch, wenn auch nur noch wenige größere Fahrzeuge hier unterwegs sind. Heute sind es vor allem viele Mountainbiker, die dieses Abenteuer auf der Fahrt nach unten erleben wollen. Und wir mit unserem Motorroller, bepackt mit einem zusätzlichen Seesack. Da stehen wir nun oben am ersten Aussichtspunkt und blicken bei bedecktem Himmel hinunter auf den Camino de Muerto, auf dem die Mountainbiker hinunterdüsen. Erste steile Abschnitte neben der Piste sind schon von hier oben zu erkennen. Eine üppige Vegetation zieht sich aus dem Tal die hohen Berge hinauf.

 

Auch wir hoppeln nun über den grob geschotterten Weg hinunter und stoppen schon bald an einer Stelle, wo links des Weges die Tiefe naht. Niemand kommt uns entgegen und so steuere ich sicherheitshalber die Mitte an. Trotzdem blicken wir immer wieder über den Rand mit einem Auge nach unten. Da wird einem schon etwas mulmig. In vielen Kurven geht es nun weiter am Berghang entlang. Ein LKW kommt uns entgegen. Rechts ragen die steilen Felsen hinauf, links der 100 m tiefe Abhang. Wir drängen uns an sicherer Stelle nach links und machen Platz. Auf dem Zweirad sind wir die meiste Zeit ganz allein unterwegs. Von oben kommend können wir den Straßenverlauf oft gut überblicken und die wenigen entgegenkommenden hupenden Busse und LKW erkennen. Manchmal plätschert Wasser von überhängenden Felsen auf den Camino und auf uns.

 

Ein Kreuz am linken Rand erinnert daran, dass hier auch noch am 11.11.2014 Ingemar Senzano und Christian Tecona in die Tiefe gerissen und getötet wurden. Immer wieder folgen enge Kurven, bei denen man in zu schneller Fahrt in die Tiefe stürzen kann. Wir fahren vorsichtig, genießen die spektakuläre Landschaft. Wie wir später erfahren, hat sich heute eine deutsche Mountainbikerin bei einem Sturz das Schlüsselbein gebrochen. Wieder senkrecht abfallende Felswände und an einer engen Linkskurve etliche Kreuze für an dieser engen Stelle Verunglückte. Dann dichte graue Wolken vor uns und es beginnt zu regnen und zu hageln. Die Piste wird nun rutschig. Nur ganz selten sehen wir im unteren Bereich der Piste einfache Häuser, umgeben von üppiger Vegetation und Bananenstauden. Wir durchfahren noch zwei Bäche, dann führt die Straße auf unebenen, ekligen Kopfsteinpflaster mit etlichen Schlaglöchern in vielen Kurven bergauf nach Coroico. Wer hier ein Gebiss hat, ist ständig dabei, nach seinen Zähnen zu springen.

 

Coroico

Noch oberhalb des Ortes befindet sich das Hostal „Sol y Luna“ (Sonne und Mond) wo wir ein Apartment gemietet haben. Das große Gelände des Hostals ist malerisch an den Hängen des Uchumachi-Berges gelegen. Die Vegetation mit großen alten Bäumen, Palmen, blühenden Sträuchern und Blumen ist so üppig, dass man dadurch nur selten ins Tal blicken kann. Fast die ganze Nacht prasselt der Regen auf das Plastikdach und begleitet uns nach einem langen erlebnisreichen Tag in den wohlverdienten Schlaf. Die große Anlage von Sol y Luna ist liebevoll gepflegt mit den verschiedenen Blumenbeeten, Wegen und bunt bemalten runden Gesteinsbrocken. Es gibt verteilt Hängematten und Liegestühle und zwei Swimmingpools, die von klaren Bergquellen gespeist werden. Ein kleines Becken befindet sich direkt an einer Kante mit weitem Blick in das Tal, auf die dichten grünen Urwälder der Yungas und bis weit hinauf zu den Anden. Was für ein Unterschied der Landschaft zum kargen, trockenen Hochland mit der Millionenstadt La Paz. Diese Idylle tut Augen und Seele gut. Die Cabanas von Sol y Luna verteilen und verstecken sich zwischen Bäumen und Pflanzen. Ich steige auf den von gefallenen Blättern bedecken schmalen Wegen weiter hinauf durch dichtes Buschwerk und kann schließlich hinunter auf den Ort Coroico blicken.

 

Die erste Morgensonne scheint schon auf das Dorf, aber dichte weiße Wolken breiten sich noch unterhalb in den Tälern aus. An den Hügeln der Umgebung wachsen Zitrusfrüchte, Kaffee, Bananen und Coca-Pflanzen. In Coroico ist der Bereich um die Plaza wie überall in Bolivien die attraktivste Gegend. Die Häuser sind, halbfertig und meist unverputzt. Durch die offenen Fenster und Türen und von Autoradios hören wir im Vorbeigehen mindestens zweieinhalb Stunden die Rede des Präsidenten Evo Morales. Er will die Mannschaft und das Volk auf das wichtige Fußball-Qualifikationsspiel gegen Ecuador einstimmen.

 

Auf der geteerten neuen RN 3 rollere ich immer bergauf von 1200 m auf 4700 m. Tina fährt mit dem Micro-Bus zurück nach La Paz. In weiten Kehren zieht sich das Asphaltband durch die üppigen Yungas. Es bieten sich schöne Blicke ins Tal auf die Todesstraße und hinüber nach Coroico. Ein alter LKW ist tatsächlich noch langsamer als ich und gemächlich tuckere ich an ihm vorbei. Mit Ach und Krach quält sich mein Piaggio im Schritttempo über die steilste Stelle hinauf zum Paso la Cumbre auf 4725 m. Ich fahre und schiebe noch auf den holprigen Hügel hoch zur Christusstatue. Dort danke ich in Siegerpose dem lieben Gott, dass ich hier wieder heil angekommen bin. Dann geht es weiter in den Kessel von La Paz.

 

Fortsetzung siehe B ericht Bolivien 8