Brasilien 10

 

Bundesstaat Bahia

 

11. August bis 28. September 2016

 

Fortsetzung von Bericht Brasilien 9

 

Die Fotos zu diesem Bericht findet man am Ende des Textes.

 

Nach fast sechstausend Kilometern vom Pazifik (Chile) erreichen wir endlich den Bundesstaat Bahia (Brasilien) am Atlantik. Die grünen Berge mit den sattgrünen Rinderweiden und wenigen Bäumen fallen uns nach der tagelangen Fahrt durch die trockenen Landschaften Zentral-Brasiliens sofort angenehm auf. Hier waren wir vor zwei Jahren schon einmal (Bericht Brasilien 1) und wissen, dass wir hier auf tropisches Klima, wunderschöne Strände und freundliche Menschen treffen. Wir merken gleich, dass die Bevölkerung hier dunkelhäutiger wird. Bahia war vor über vierhundert Jahren die erste Gegend, in der die Sklaven aus Afrika an Land gebracht wurden. Vereinzelt sehen wir Fazendas der reicheren Landbesitzer, andererseits viele ärmliche Behausungen der schwarzen Bevölkerung. In einer riesigen Müllkippe wühlen Männer herum.

 

Von der Straße BR-001 haben wir immer wieder schöne Ausblicke auf die Costa do Cacau. Hier wird schon seit vielen Jahrhunderten Kakao angebaut. Es ist eine wunderbar grüne, teilweise leicht hügelige Landschaft. Wenige kleine Dörfer mit angepflanzten rot und lila blühenden Dornenbüschen, gepflegte Resorts der Reichen, Sumpfgebiete, Kokospalmen-Plantagen, riesige Bambusstauden, Mangroven und wilde Palmen. Fazendas mit grünen Weiden und große Gebiete mit geschütztem Urwald des Refugio de Vida Silvestre de Una. Die Menschen an der Straße winken freundlich zurück.

 

In Canavieiras pulsiert das ursprüngliche bahianische Leben im September ohne Touristen. Die Leute sitzen draußen vor ihren Häusern oder vor den vielen kleinen Bars und beobachten das Treiben. Ab und zu kommt ein dröhnender Lautsprecher langsam vorbei gerollt und macht Werbung für das Angebot eines Supermarktes: verpackt im Kofferraum eines Autos, auf dem Gepäckträger eines Mopeds oder eines Fahrrades. Manchmal schiebt ein Mann den batteriebetriebenen Lautsprecher auf einem vierrädrigen Karren oder sogar auf einer Schubkarre vor sich her. Am langen Sandstrand der nahen Insel Ilha Atalaia verbringen wir einige Tage. Hier befindet sich auch die herrliche Pousada Bahia Domizil von Andrea und Jack mit sechs Bungalows der 4-Sterne-Kategorie (www.bahiadomizil.com) und Pool. Die Bungalows sind mit exakt gepflasterten Wegen verbunden und von super gepflegten Gartenanlagen mit Rasen, Palmen und Bananenstauden umgeben. Jack plant und lässt in Canavieiras Häuser für Deutsche bauen. Ein sehenswertes und komplett ausgestattetes Haus für einen günstigen Preis hat Jack im Garten der Pousada für ein deutsches Rentner-Ehepaar errichten lassen. Wir genießen bei einem typisch brasilianischen Acaí-Eis die nette Atmosphäre im teilweise restaurierten historischen Viertel am Hafen. Vor einigen Jahren wurde im Fernsehen unter dem Titel „Good Bye Deutschland“ von einem deutschen Ehepaar berichtet, das hier in Canavieiras eine Strandbar eröffnet hatte. Daraufhin kamen viele Landsleute hierher, um Urlaub zu machen. Manche ließen sich hier nieder. Inzwischen wohnen hier auf der Insel ständig oder zeitweise ein paar hundert Deutsche, Schweizer und Österreicher. Wir werden von den Bayern Herbert und Brigitte zum Schweinebraten-Essen in ihr Haus eingeladen und genießen die leckere Deutsche Küche. In der Lima Bar verfolgen wir mit einigen Brasilianern und Deutschen die Fußballspiele der Olympiade in Rio. Während des Spiels hat der Wirt nichts anderes zu tun, als im hinteren Bereich der Bar mit der Flex Fliesen zu schneiden. Ein Krach ohne Ende und eine Staubwolke breitet sich im Raum aus. Ich stelle mir vor, wenn unser Wirt Toni in der Kneipe mal eben Fliesen schneiden würde, während die Gäste im Raum sitzen. Da wäre was los! Aber hier ist das normal, keiner beschwert sich. Kurz durchgehustet, und fertig. Ich rollere zum Fußballplatz und schenke den Jugendlichen eine komplette Mannschaftsbekleidung, die wir nun schon seit neun Monaten durch Südamerika schaukeln. Schnell stürzen sie sich auf die Trikots des FC Auetal und sind glücklich. Als ich losfahre, winken sie mir hinterher.

 

Auf dem malerischen Campingplatz Itaparica bei Olivenca sind wir die einzigen Gäste und stellen unseren Vagabundo auf dem dichten Rasen in sicherer Entfernung von fallenden Kokosnüssen am Rande des Palmenwäldchens ab. Vom Platzwart bekommen wir regelmäßig Kokosnüsse geschenkt, deren Milch köstlich schmeckt. Hier verbringen wir mehrere Tage, machen Strandspaziergänge und baden im warmen Atlantik. Oft fahren wir mit dem Motorroller durch die schöne Landschaft Richtung Una und Olivenca, wo wir in verschiedenen Strandbars einkehren. Wie so oft amüsieren sich auch hier in den Orten die Kinder über die kleinen Reifen unseres Piaggio. Der Strand Praia Aquipe befindet sich auf einer langen Insel, die durch den zwanzig Meter breiten Rio Aquipe vom Land getrennt ist. Als uns der Wirt des Restaurante auf der Insel sieht, schickt er einen Mann mit einem kleinen Boot, der uns hinüber bringt.

 

Auf der Weiterfahrt nach Norden hat sich eine Woche lang ein kräftiges Tiefdruckgebiet an der Küste von Bahia festgesetzt. Wir fahren hinauf nach Serra Grande und dann weiter durch die abwechslungsreiche hügelige Landschaft, die teilweise noch mit dem Urwald Mata Atlantica bedeckt ist. Bei der Reserva Ecologica reicht der Urwald teilweise bis direkt an die Straße heran. Hinter Itacaré überqueren wir den Rio de Contas und fahren weiter durch hügeliges Urwaldgebiet an der wunderschönen Costa do Dende entlang. Die Lombadas (bis 17 cm hohe Straßenschwellen) sind in Bahia wirklich besonders zahlreich und höher als sonst in Brasilien. Ganz leicht kratzt eine Lombada am Dieseltank, zum siebten Mal in über zwei Jahren. In kleinen Käffern mit Kopfsteinpflasterstraßen gibt es bis zu sieben Lombadas, in Itubera 15 von diesen Dingern. Danach ist auf der Schlaglochstraße wieder Slalomfahren notwendig. Müllhaufen liegen am Straßenrand Afrika lässt grüßen: Rote Erde, Regen, schwüle Luft, schwarze Menschen, die biertrinkend vor den ärmlichen Behausungen sitzen und uns interessiert beobachten.

 

Nördlich von Valenca erreichen wir die Insel Itaparica. Im Dorf Berlinque sind wir die einzigen Weißen und fühlen uns in der typischen entspannten bahianischen Atmosphäre wohl. Viele Kinder laufen über die lehmigen Straßen und die Männer sitzen abends in der Indio-Bar vor dem Fußball-TV. Hier verbringen wir längere Zeit allein auf dem urigen Campingplatz im Palmenwald am Strand. Dieser zieht sich über viele Kilometer in beide Richtungen. Bei den Fischern kaufen wir frische Ware ein. Der Campingplatz ist sehr schön, aber sicher ist auch hier gar nichts. Durch das Tor am Eingang kann Jeder auf das Grundstück und auch die Pforte zum Strand ist nicht abgeschlossen. Zudem sehen wir manchmal Jemanden über die Mauer klettern, der sich vom Campingplatz Kokosnüsse holt. Am Horizont ist die dreißig Kilometer entfernte Silhouette von Salvador zu sehen.

 

Mit unserem Roller fahren wir über die Erdpiste mit vielen Schlaglöchern zum südlichen Ende der Insel Itaparica. In der unbewohnten Gegend kommt uns ein Auto mit einem Anhänger entgegen, auf dem ein teurer Sportwagen steht. Gleich dahinter ein großer LKW, auf dem riesige Lautsprecherboxen dröhnen. Kurz danach begegnen wir einem Pferdewagen. Welche Unterschiede in Brasilien. In Cacha Pregos liegen viele bunte Ausflugsboote im Hafen geschützt bei den Mangroven vor Anker. Nur Touristen sind nicht da, kommen wohl erst im Sommer. Fast alle Bars und Restaurants sind geschlossen. Die Menschen sitzen hier vor ihren Häusern und erzählen. Einige Männer spielen unter dem Sonnendach Brettspiele. Es ist ganz nett hier, aber kein Vergleich zu den schönen Dörfern in Süd-Europa. Vieles scheint hier unfertig, wie so oft in Brasilien. Jeder baut so irgendwie für sich hin wie er mag und hört zwischendurch mit dem Bauen auf. Und es gibt kein geschlossenes schönes Ortsbild.

 

Weitere Rollertouren führen uns in den Nordteil der Insel. In Mar Grande genießen wir von der Strandbar den Blick über die Baia de Todos os Santos auf die beeindruckende Skyline von Salvador. In der Stadt Itaparica schlendern wir durch das historische Viertel und an der Festung vorbei, das die Holländer dort 1547 errichtet haben. Die Fähre bringt uns mit unserem RMB Wohnmobil von Bom Despacho über die Allerheiligenbucht zur Drei-Millionen-Metropole Salvador.

 

Dort übernachten wir wie bereits vor zwei Jahren auf dem Campingplatz Ecologico nördlich der Stadt. Seit drei Monaten haben wir nun schon keinen Globetrotter aus Europa mehr getroffen. Der Brasilianer Eno fragt mich, wie lang unser Camper ist. Ich sage „Sieben Meter“. Er antwortet „Sechs Meter“. Das Ganze wiederholt sich mehrmals. Die Zahl „Sieben“ ist in Brasilien gestrichen, seit der 7:1-Niederlage („Sete Um“) bei der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Deutschland. Oh weh! Der Schock sitzt tief. Wir haben uns dann auf Sechsmeterneunzig geeinigt. Das „Sete Um“ hat sich inzwischen im brasilianischen Sprachgebrauch durchgesetzt. Man sagt es, wenn etwas überhaupt nicht funktioniert oder total schief läuft.

 

Wir bekommen Besuch von unserem Sohn und unserem Neffen und fahren auf der Estrada do Coco nach Norden. An der palmengesäumten Barra do Jacuipe übernachten wir bei einer Bar am Flussufer. An der nördlich verlaufenden Linha Verde wurden kleine Hängebrücken extra für Affen und andere Tiere angelegt, damit sie die Straße sicher überqueren können.

 

Auf der Weiterfahrt nach Norden erreichen wir den Bundesstaat Sergipe, wo wir nach Ponta abbiegen. Dort stellen wir unseren Vagabundo an der Plaza ab. Etliche Kinder umkreisen unseren Camper. Mit einem Boot fahren wir von Pontal über den Rio Real nach Mangue Seco, das von Palmen und einer Düne begrenzt wird. Dort muss im Sommer der Bär los sein, aber jetzt sehen wir nur wenige Menschen umherlaufen und die Bars und Restaurants sind am Morgen ohnehin alle geschlossen. Einige Dune Buggies stehen herum. Wir gehen auf den sandigen Dorfstraßen bis zur Kirche und dann die Düne hinauf. Von dort haben wir einen schönen Blick auf Mangue Seco, den Rio Real, Pontal und auf die Sandstrände am Atlantik. Wir spazieren ein paar Kilometer über die Dünen, die die Palmen inzwischen so weit unter sich begraben haben, dass sie zum Teil nur noch fünf Meter herausragen. Palmen begrenzen auch den kilometerlangen Sandstrand, wo wir in einer Bar am Wasser einkehren und in den hohen Wellen baden. An der Plaza in Pontal kommt Alisson mit seiner Gitarre und spielt für uns spontan das bekannte brasilianische Lied „Girl of Ipanema“.

 

Als wir Sabauma erreichen, findet gerade eine Wahlkundgebung statt, mit riesigem Lautsprecherwagen und den üblichen lauten Knallern. Der einsetzende Regen sorgt aber für die Auflösung der Versammlung und eine ruhige Übernachtung.

Weiter südlich in Imbassaí kehren wir im Restaurante Guayas von Manuel und Josefa ein, die uns herzlich begrüßen www.imbassai.info/guayas . Hier haben wir vor zwei Jahren u. a. das 7:1 der deutschen Nationalmannschaft gegen Brasilien gesehen. Manuel sagt, damals kamen zwei seltsam verkleidete und angemalte Gestalten (Wir, in Schwarz-Rot-Gold), um das Halbfinalspiel zwischen Brasilien und Deutschland im TV zu sehen. Und dann erzählt er über den Verlauf des Spiels und des Abends und die Auswirkungen auf die Brasilianer bis heute. Er zählt sieben Vorteile Deutschlands auf. Und einen Vorteil Brasiliens: Das Wetter. Später kommen auch Carlito und Flor dazu, die vor zwei Jahren im Brasilien-Dress hier ebenfalls dabei waren. Josefa dolmetscht und so haben wir eine nette, lustige Unterhaltung bei ausgezeichnetem Essen. Am nächsten Tag sind wir bei Flor und Carlito eingeladen. Sie zeigen uns ihr topsauberes Haus mit modernster Einrichtung und Elektronik. Auf ihrem sehr gepflegten kleinen Grundstück vermieten sie auch fünf Cabanas, www.jasmimdospoetas.com die sie uns zeigen. Supersauber, geschmackvoll eingerichtet, alles hat 4-Sterne-Kategorie und beste Bewertungen im Internet. Im Garten verbringen wir gemeinsam einen lustigen Abend mit brasilianischer Gastfreundschaft. Am nächsten Tag nehmen wir ihren Tipp auf und wandern zum herrlichen Praia Santo Antonio, wo am Strand hinter einer palmenbestandenen Düne nur drei verlassene Bars stehen.

 

In Praia do Forte übernachten wir im Wohnmobil auf dem Innenhof des Hostal Alberque Praia do Forte, das Camping einschließlich Frühstück und verschiedene Vergünstigungen zu einem günstigen Preis anbietet. Der Ort ist zwar sehr touristisch, hat aber durch eine ausgezeichnete Fußgängerzone und schöne Strände eine nette Atmosphäre. Wir wandern am palmengesäumten Sandstrand entlang und lassen uns später direkt an einer Strandbar in der Nähe der kleinen Kapelle zu einem Cerveca nieder. Gemeinsam sehen wir uns die Schildkröten des Tamar-Projekts an, bei dem auch Haie, Rochen und viele Fische zu sehen sind. Auch deren Fütterungen können wir beobachten. Mario und Tim nehmen an der Whale-Watching-Tour auf einem Schoner teil und sehen dabei mehrere Wale.

 

Mit dem Bus fahren wir vom Camping Ecologico nach Salvador zur Praca da Sé. Schöne Ausblicke bieten sich in Vorbeifahren nach Osten zu den kilometerlangen Stränden, an denen die Leute Fußball und Volleyball spielen. An der Strandpromenade wird geradelt und gejoggt, an den Bars gefaulenzt. Hier gibt es viele Freizeitmöglichkeiten für die Einwohner Salvadors am blauen Atlantik. Wir spazieren zum Praca Tomé de Souza, der an zwei Seiten vom Palácio Rio Branco und vom Paco Municipal begrenzt wird. Neben dem Aufzug Lacerda genießen wir den Blick auf die Unterstadt Cidade Baixa mit dem alten Hafen, dem Mercado Modelo, die Bucht Baia de Todos os Santos und bis hinüber zur Insel Itaparica. Wir bummeln weiter über die Praca do Sé und werden immer wieder von Leuten angesprochen, die uns bunte Armbändchen und Ketten verkaufen wollen. Mit der alten Standseilbahn Goncalves fahren wir dann hinunter in die Cidade Baixa und weiter mit dem Bus zum Mercado Feira de Sáo Joaquim. Dies ist der große Markt von Salvador, ein wuseliger Umschlagplatz für alle nur erdenklichen bahianischen Waren und Produkte. Hinter der Fischhalle biegen wir ab in ein Gewirr von dunklen, alten, schäbigen Gängen, in denen von hunderten Händlern riesige Mengen unzähliger landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Heilpflanzen und Ingredienzen der bahianischen Küche angeboten werden. Außerdem sehen wir Säcke mit vielfältigen Gewürzen, Haushaltswaren, Textilien und einen Gang mit Fleischwaren in der Mitte. Wir sind anscheinend die einzigen Ortsfremden. Mit dem Bus fahren wir zurück zum Mercado Modelo, vor dem uns wiederum etliche Leute etwas verkaufen wollen. In der alten Markthalle finden wir ein vielfältiges Angebot an Souvenirs. Vom angrenzenden kleinen Hafen aus erwischen wir gerade noch das Schiff, das uns in einer halben Stunde über die Bucht Baia de Todos os Santos (Allerheiligenbucht) zur Insel Itaparica nach Mar Grande und zurück bringt. Mit dem Bus fahren wir durch die Dunkelheit zurück nach Praia Flamengo zum Camping Ecologico. Dabei steigen zwischendurch zwei Musiker ein und bringen Samba-Rhythmen in den Bus, bevor sie an einer Haltestelle wieder aussteigen. Andere verkaufen Kleinigkeiten im Bus. Das ist Salvador Live.

 

Am nächsten Tag kaufen wir im Mercado Modelo für uns Souvenirs und vier Trikots des Fußballclubs Bahia. Anschließend schlendern wir oben durch die Altstadt von Salvador. Vorbei an den Kunsthandwerkerständen in der Nähe des Springbrunnens am Praca da Sé und zum Terreiro de Jesus. Dort sehen wir den Capoeira-Darbietungen zu und besichtigen die Igreja e Ordem de Santo Domingos des Gusmao mit ihrem aus reichlich Blattgold verzierten Altar. Anschließend spazieren wir weiter die Kopfsteinpflasterstraße Rua das Portas do Carmo hinunter an vielen kleinen Souvenirläden und einer trommelnden Sambatruppe vorbei. Wir erreichen den abschüssigen kopfsteingepflasterten Largo do Pelourinho, auf dem früher der Pranger stand, an dem die Sklaven ausgepeitscht wurden. Hügelauf gehen wir zur Igreja da Ordem Terceira do Carmo, doch die Kirche ist wie andere auch geschlossen. Die Rokoko-Kirche Igreja N.S. do Rosário dos Pretos wurde im 18. Jahrhundert von Sklaven und freigelassenen Afrikanern errichtet, weil sie die Kirchen der Weißen nicht betreten durften. An ihr vorbei gehen wir durch die Gassen hinauf zur Praca Arichieta. Rund um das Fußballstadion Fonte Nova herrscht bereits reges Treiben der Bahia-Fans, die an mobilen Getränke- und Imbissständen stehen. Laute Musik dröhnt aus den Lautsprechern. Vor dem Stadion bringt eine Trommel- und Blaskapelle die Zuschauer schon in Stimmung. Die Kapelle ist auch während des Spiels immer wieder aktiv. Die lautstarken Fans der Nordkurve machen einen Höllenlärm und tanzen wie verrückt. Die Zuschauer sind mit einem Spieler der eigenen Mannschaft überhaupt nicht zufrieden und pfeifen ihn erbarmungslos aus. Zur Halbzeit steht es 1:1 und der Spieler wird ausgewechselt. Am Ende gewinnt Bahia 4:2 und die lautstark jubelnden Fans sind versöhnt. Dieses Spiel war für uns Vier ein tolles Erlebnis und ein schöner Abschluss unserer gemeinsamen Reise mit Mario und Tim, die wir am nächsten Tag zum Flughafen bringen.

 

Wir fahren nach Süden vorbei an fruchtbaren Gebieten mit Weideflächen, Tabakfeldern und Mandarinenplantagen. Lastwagen sind voll beladen mit Bananen und am Straßenrand sind viele Stände mit Obst und Holzarbeiten aufgebaut. Von den angrenzenden Häusern wird der Müll gleich den Hang hinunter Richtung Straße gekippt. Hinter Santo Antonio de Jesus fahren wir durch Gebiete mit ursprünglichem Mata Atlantica Urwald. Wieder einmal schütteln plötzlich auf der Fahrbahn asphaltierte Sonadores unser Fahrzeug, damit die Geschwindigkeit reduziert wird. Was soll dieser Unsinn? Bei einer Lombada halten Jugendliche einen Strick über die Fahrbahn, wollen Geld. Wir fahren langsam weiter und sind später in Porto Seguro, einem der beliebtesten Ferienorte Brasiliens. Beim teuren Camping Hotel Mundai können wir allerdings Internet, Swimmingpool, Sessel, Hängematte und TV nutzen. Hier stehen sie also eng beieinander, die brasilianischen Wohnmobile und Camper, etwa zwanzig an der Zahl. Die größten haben die Ausmaße amerikanischer Motorhomes, riesig wie Reisebusse. Aus Sicherheitsgründen übernachten brasilianische Campingfreunde immer auf Campingplätzen, niemals irgendwo frei. Alle Wohnmobil-Besitzer haben weiße Hautfarbe. Unsere Nachbarn sprechen uns an. Welche Überraschung: Es sind Marta und Regis, die wir vor zwei Jahren auf dem Campingplatz Itaparica bei Olivenca mit ihren Deutsch sprechenden Freunden getroffen haben. Die Freude ist groß und wir „unterhalten uns“ im Rahmen unserer ungenügenden Möglichkeiten. Auf der anderen Seite der Straße ist der palmengesäumte Strand.

 

Wir machen den Roller startbereit und fahren zur Fähre, die uns von Porto Seguro nach Arrial d‘ Ajuda bringt. An der langen Autoschlange stehlen wir uns vorbei und sind somit schnell auf dem Schiff. Dort werden wir von Erich angesprochen, der seit acht Jahren hier in Arrial d‘ Ajuda lebt und als Maler und Anstreicher arbeitet. Er berichtet von einer hohen Mordrate im Gebiet zwischen Porto Seguro und Eunápolis. Jeden Tag ein paar Tote. Hier blüht der Rauschgifthandel über das Meer, vor allem mit Kokain für die jungen Touristen, die hier bei den ausgelassenen Partys in Schwung kommen müssen und möglichst lange mitfeiern wollen. In Arrial d‘ Ajuda kommen wir plötzlich ins Schlingern und ich muss zunächst den defekten Schlauch ersetzen. Beim historischen Viertel mit der Kirche parken viele Busse und entsprechende Touristenmassen sind unterwegs. Wir genießen den Blick von der Kirche auf die sich unten bis zu den Stränden ausbreitende grüne Landschaft. Dann kehren wir in einer Restaurante-Bar ein und beobachten das Treiben, bevor wir durch die Gassen an den vielen Souvenirläden, Modegeschäften, Restaurants und Bars entlangschlendern. Leider können wir aus Zeitgründen die schönen Strände hier und im benachbarten Trancoso heute nicht mehr besichtigen und dort baden. Die Sonne geht gerade orange leuchtend unter, als wir mit der Fähre zurück nach Porto Seguro übersetzen. Mit unseren deutschstämmigen brasilianischen Campingnachbarn Erminio Knoch und Eunice Becker unterhalten wir uns einige Zeit. Der Großvater von Erminio ist aus Deutschland nach Brasilien ausgewandert und auch in der Familie von Erminio haben sie immer Deutsch gesprochen.

 

Anderntags rollern wir nach Santa Cruz Cabrália und kehren dort beim Hafen in einem Straßencafé ein. Hier ist es uriger als in Porto Seguro. Als einzige Touristen sehen wir den Fischern beim Reparieren der Boote und den anderen Einheimischen zu. Später kehren wir wieder einmal in einer Strandbar ein und ich bade im warmen Wasser. Am Weg zur Coroa Vermelha stehen jede Menge Souvenir- und Bekleidungsstände. Alles total touristisch hier. Kaum ist links ein Schild zu erkennen, dass zum Indian Village abzweigt, wo die Indianer Indigena Pataoxó in einem großen Rundell ihre handwerklichen Produkte anbieten. Dieses Rundell war sicher zuerst hier und der gepflasterte Weg mit den vielen Ständen wurde offensichtlich zum Nachteil der Indigena daran vorbei gebaut. Der Weg endet kurz vor dem Strand an einem riesigen Kreuz, das die Stelle anzeigt, an der die erste Messe auf brasilianischem Boden stattfand, nachdem Pedro Alvares Cabral im Jahre 1500 das Land für Portugal in Besitz nahm.

 

Weiter geht´s auf der BR 101 in weiten Kurven und ständig bergauf und bergab vorbei an Bananenplantagen. Die Berge werden felsiger, die unansehnlichen Eukalyptuswälder größer. Vereinzelt weisen Schilder auf Fazendas, die Anwesen der Großgrundbesitzer. Es geht vorbei an Ranchland mit Jaburi-Rindern, Kürbis- und Papayafeldern. Gerade sind wir gegen Mittag in Prado beim Hotel und Camping Sol & Mar angekommen, da kommen auch Simone und Jörg mit ihrem Ford-Pickup-Camper an. Mit ihnen haben wir uns per E-Mail verabredet, als sie noch für drei Monate in Deutschland zum Verwandtenbesuch waren. Vor einem Jahr hatten wir Jörg und Simone auf dem Campingplatz in Salta/Argentinien getroffen. Fünf Jahre sind sie jetzt in Nord- und Südamerika unterwegs. Wir unterhalten uns lange über unsere Reisen bis zum Anbruch der Dunkelheit. Auch die nächsten Tage verbringen wir gemeinsam in Prado, bevor wir uns wegen des zunehmend schlechteren Wetters mit ergiebigen Regenfällen zur Weiterreise entscheiden. Die beiden zieht es jetzt nach Norden, uns nach Süden. Vielleicht trifft man sich irgendwann in Nordamerika wieder.

 

Über Alcobaca und Texeira de Freitas erreichen wir den Bundesstaat Espirito Santo.

 

Fortsetzung siehe Bericht Brasilien 11