Brasilien 3                                                     Bundesstaaten Pernambuco bis Bahia

Vom 29. Juni bis 13. Juli 2014

 

Fortsetzung von Bericht Brasilien 2

 

Die Fotos zu diesem Bericht findet man am Ende des Textes!

Wir verlassen Olinda und die Millionenstadt Recife und es geht mit tausenden Fahrzeugen, Stop-and-Go auf drei Spuren, Verdrängen auf 2 Spuren mit der Moped-Kombination von allen Seiten. Hinzu kommt, dass unser Navi rotiert und etliche neue Straßen gar nicht im System hat, denn seiner Ansicht nach fahren wir zum Beispiel gerade auf einem Fluss, der nicht existiert. Es dauert ewig, bis wir endlich raus sind und abends an einer Tankstelle mit Raststätte bei Palmares zwischen LKW und Bus unseren Vagabundo zur Übernachtung abstellen. Der Trucker brutzelt an seiner ausklappbaren Außenküche und er lädt mich zu gebratenen Krakauer-Scheiben ein. Ich sage, meine Frau kocht nebenan selber. Dann bringe ich ihm einen Becher mit Dornfelder-Rotwein aus Alemania und eine kühle Dose Bier und danach noch einen großen Schirm, denn inzwischen ist mal wieder ein plötzlicher tropischer Regenschauer mit dicken Tropfen heruntergeprasselt.

 

Auf der BR 101 Richtung Süden gibt es hinter einer Pfütze einen Auffahrunfall. Es folgen teilweise zwanzig Zentimeter tiefe Schlaglöcher, als wir deshalb nur 60 km/h durch die hügelige Landschaft fahren. Ein LKW-Fahrer überholt uns und versucht, noch zwei weitere LKW zu überholen, und das trotz Gegenverkehr. Reifen qualmen, endlich kann er vorbeirasen. Aber größtenteils sind die Straßen in Ordnung und die gefährlichen Überholsituationen gibt es nur etwa zweimal täglich. An der Straße sehen wir ärmlich gekleidete Fußgänger, überholt von Fahrradfahrern mit teuren Rennrädern, daneben Pferde auf der Weide und wilde Müllkippen. Im Bundesstaat Bahia werden die Straßen besser, aber auch hier gibt es viele ärmliche Dörfer. Was mögen die Menschen hier denken, wenn wir mit dem Wohnmobil hier langfahren? Die Landschaft wird nun interessanter, hügeliger mit rötlichen Felsen und Palmen. Wir fahren auf der gut geteerten Estrada do Coco (BA 099) vorbei an Kiefern- und den unvermeidlichen Einheits-Eukalyptuswäldern Richtung Süden.

 

In Salvador treffen wir am Flughafen Andreas, der so freundlich war, uns aus Deutschland die dringend benötigten Ersatzteile für unseren Motorroller mitzubringen. Für umgerechnet nur 1 € pro Person fahren wir am nächsten Tag mit dem Bus anderthalb Stunden lang bis Salvador. Im flotten Tempo jagt der Busfahrer im dichten Verkehr über die Schlaglochstraßen zentimetergenau an den anderen Fahrzeugen vorbei und wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Alle Achtung! In der Altstadt machen wir einen Rundgang durch die toll für die WM geschmückten Straßen. Leider werden auch historische Kirchen dadurch teilweise verdeckt. Jedenfalls gefällt es uns das Ambiente hier sehr gut. Wir blicken von der Terrasse des Aufzugs hinunter in die Unterstadt und den Hafen. Anschließend besichtigen wir die Catedral Basilica mit ihrer prachtvollen Innenausstattung und gehen durch die engen Kopfsteinpflasterstraßen des Pelourinho. Hier gibt es viele kleine Geschäfte und Wohnhäuschen, vor denen die Einheimischen sitzen. Vor der Kirche Sao Francisco lassen sich Frauen in traditioneller Kleidung und auf dem Platz vor der anderen Kirche Männer beim Capoeira-Kampf gegen Entgelt fotografieren. In den engen Gassen sind Tische, Stühle und Fernseher aufgestellt und gemeinsam mit tausenden Fußballfans sehen wir WM-Spiele. Wenn manche deutsche Feuerwehr sehen würde, wie die Gassen hier dicht sind! Noch nicht einmal der Getränkelieferer kommt mit seiner zweirädrigen Sackkarre durch. Ein paar Tage verbringen wir noch auf dem Camping Ecologico und baden im warmen Meer, bis wir endlich unseren reparierten Motorroller abholen können.

 

Eine Autostunde nördlich erreichen wir über die Estrada do Coco Imbassai an der Linha Verde, wo wir am zentralen Platz neben einer Tagesbar an einem durchgehend beleuchteten Platz ruhig und sicher übernachten. Der sympathische Ort hat etliche nette kleine Pousadas und Restaurants, die von viel ursprünglicher tropischer Vegetation umgeben sind. Sogar ein separater Fahrradweg wurde durch die Stadt angelegt. Und die Straßen sind alle gepflastert. Wir spazieren über die kleine Brücke des Rio Barroso und über die kleine Düne zum Meer. Uns gefällt es so gut, dass wir eine Woche als einzige Gäste auf dem Campingplatz Brisa Mar in einem Wald von 20 m hohen Kokospalmen bleiben und relaxen.

(Hinweis: Im 2016 wurde eine große Hotelanlage zwischen dem Campingplatz und dem Meer errichtet.)

Wir genießen von unserem Platz den Blick auf das nahe Meer und spazieren durch den idyllischen Ort, den der große Tourismus noch nicht erreicht hat. In einem netten Restaurant kehren wir öfter ein und sehen WM-Spiele im TV. Auf die Sicherheitslage in Brasilien angesprochen, meint der Besitzer, dass er nicht allein nachts durch die Straßen von Imbassai gehen würde. In der Umgebung würden in den Wäldern fast jeden Monat Leichen von Ermordeten gefunden. Eine hübsche Brasilianerin, die in seinem Restaurant arbeiten wollte, sei vor einigen Jahren vergewaltigt, ermordet und vergraben worden. Wer der drei verdächtigen Männer welche Tat begangen hat, konnte nicht ermittelt werden. Auf der Estrada do Coco solle man nicht nachts fahren, da schon Überfälle vorgekommen seien. Deshalb führen nachts immer nur mehrere Touristenbusse hintereinander diese Strecke. Auch wenn alles so ruhig und friedlich aussehe, solle man sich niemals ganz sicher sein. Auf der westlichen Seite der Straße beginnen die Favelas. Ein Franzose, der vor einigen Jahren Gast in seinem Restaurant war, habe noch getönt, dass er überhaupt keine Probleme mit der Kriminalität in Brasilien sehe. Ein paar Tage später sei er in Salvador von zwei motorradfahrenden Männern erschossen worden. Außer ihm starb ein Unbeteiligter. Wenig später sprechen wir einen Deutschen, der seit 6 Jahren hier lebt, auf die Sicherheitslage in Imbassai an. Er sagt, dass er mit seiner Frau immer nachts durch die Straßen und am Strand entlang spaziert und sich noch nie unsicher gefühlt habe.

 

Mit gemischten Gefühlen gehen wir durch die beleuchteten leeren Straßen zum Campingplatz. Zum Sonnenaufgang jogge ich sechs Kilometer am menschenleeren Strand entlang, hinter dem sich weitere endlose Palmenhaine erstrecken. Tagsüber baden wir im warmen Atlantik oder im klaren Wasser des Rio Barroso. Zwischendurch gibt es immer wieder mal kräftige tropische Schauer, denn der Juli ist in Bahia ein Regenmonat. Beleuchtet wird der Campingplatz übrigens von einem Scheinwerfer, der an einer Palme aufgehängt ist und mit primitivster Kabel-Isolierung verbunden ist. Deutsche Elektriker würden sich die Haare raufen. Im Wohnmobil backen wir unser Vollkornbrot selber und haben so eine Abwechslung zu den angebotenen Brötchen.

 

Endlich können wir unseren reparierten Motorroller wieder nutzen. Er bringt uns die Beweglichkeit, die wir mit unserem sieben Meter langen RMB-Wohnmobil nicht haben. Wir können die holprigen Erdwege fahren und finden in den engen Straßen der Ortschaften immer einen Parkplatz. Bei schönem Wetter starten wir zu unserer ersten Rollertour zum 30 km südlich gelegene Praia do Forte. Auf der gut geteerten Estrada do Coco macht das Fahren Spaß, auf den Kopfsteinpflasterstraßen von Praia do Forte nicht. Wir stellen den Roller nah an der Fußgängerzone ab und sind schon bald im Park des Projekt TAMAR. Der Park ist sehr schön am Meer angelegt und zeigt, wie die aus den am Strand abgelegten Eiern krabbelnden Meeresschildkröten geschützt werden und dadurch die Population erheblich erhöht werden konnte. Große und ganz junge Schildkröten sind in den Becken zu sehen, ebenso verschiedene größere Fische. Alles ist liebevoll gepflegt und mit Fotos und Texten anschaulich dargestellt. Wir trinken mal wieder eine kühle Coco Gelado und legen uns anschließend zu den vielen Leuten an den schmalen Strand unter eine Palme. Dann bummeln wir noch durch den netten aber sehr touristischen Ort, vorbei an vielen kleinen Shops, Restaurants und Pousadas.

 

Unsere nächste Rollertour beträgt 130 km. Wir fahren auf der Linha Verde Richtung Norden, und biegen rechts ab auf die Erdstraße nach Massarandupio. Die Erdstraße wird dann teilweise matschig, so dass ich aufpassen muss, dass wir bei 20 km/h nicht ins Schleudern kommen. Selbst der LKW vor uns fährt hügelab im Schritttempo. Es regnet immer wieder ein wenig. Wenn die gesamte Straße matschig ist, darf ständig geschlittert werden, vor dem Festfahren. Der Ort Massarandupio ist recht ärmlich mit schlechter Kopfsteinpflasterstraße. Leute sitzen vor ihren Häusern neben der Straße und sehen dem eigenartigen Motorroller mit seinen Minirädern hinterher, so wie in den anderen Orten auch. Vorbei an Riesenpfützen auf enger Erdpiste einige Kilometer hinter dem Ort sehen wir dann Palmen vor den bewachsenen Dünen, wo wir unseren Piaggio abstellen. Hinter der Düne befindet sich tatsächlich eine einfache kleine Strandkneipe mit leeren Stühlen und Tischen und einem Brasilianer, der uns Bebidas bringt. Bei inzwischen stahlblauem Himmel genießen wir den Blick auf den langen und breiten Strand und das Meer. Ich folge dem einsamen Barkeeper ins Meer, wo er mit dem Netz auf Fischfang geht.

 

Auf der Linha Verde fahren wir noch weiter nach Norden und biegen dann ab nach Saubama. Auch dieser Ort hat überhaupt kein Flair, viele Gebäude sind heruntergekommen. Die Häuser der einfachen Menschen sind direkt hinter den schmalen Strand gebaut oder entlang der schmalen Seitengassen. Wir sehen noch den Kindern beim Surfen zu und fotografieren die Fischerboote am südlichen Ortsende. Anschließend geht’s zurück nach Süden, wo wir zum Ort Porto Sauipe und auf Erdpiste zu den Sandstränden am nördlichen Ortsende fahren, wo der Fluss ins Meer mündet. An einer der Strandbars lassen wir uns nieder und trinken etwas. Herrlich, hier im warmen Licht der Spätnachmittagssonne die plantschenden Kinder zu beobachten. Am Abend piesacken uns mal wieder die kleinen schwarzen Beiß-Fliegen. Ich habe an jedem Bein schon fast 30 Stiche und Bisse und es juckt mächtig. Gute Nacht! Am nächsten Tag kaufen wir in der Farmacia noch mehr Mückenschutz. Wechselgeld kann mir die Dame nicht geben, dafür bekomme ich einige Kaugummis.

 

Auf unserer Weiterfahrt mit dem Camper umfahren wir Salvador und auf der BR 101 geht’s weiter ins fruchtbare Hinterland der Bahia de Todos os Santos nach Sao Felix mit seinen einfachen, ärmlichen Häusern, vor denen die Menschen sitzen. Im Restaurante der Pousada Paraguassu essen wir zu Abend und haben einen schönen Blick über den Rio Paraguassu hinüber zum Ort Cachoeira. Der Eigentümer bietet uns an, den Camper nahe an der Pousada in Sichtweite der Video-Kamera zu parken, das sei sicherer. Nur zweihundert Meter von unserem Übernachtungsplatz befindet sich das Gebäude der weltbekannten Zigarrenfabrik Dannemann, das wir auch gleich nach dem frühstücken besuchen. Wir werden dort auch freundlich von Brasilianerinnen empfangen und eine Praktikantin aus Deutschland zeigt uns den Wachstums- sowie den Verarbeitungsprozess, der von zwölf schwarzen Mitarbeiterinnen durchgeführt wird. Wir übernehmen die Patenschaft für zwei Bäume, die auf einer Fazenda für uns gepflanzt werden. Man will uns jährlich informieren. Wir trinken einen guten kostenlosen Kaffee, zahlen etwas freiwillig in die Mitarbeiterinnenkasse. Auf dem Marktplatz von Sao Felix plärren die an den Laternenmasten fest installierten Lautsprecher die tägliche Werbung mit Musik. Ein kurzer Spaziergang führt uns über die Brücke nach Cachoeira, das 1971 zu einem nationalen Denkmal erklärt wurde. Der Bahnhof am anderen Ende der Brücke ist am Verfallen. Wir gehen am Paraguassu entlang Richtung Altstadt mit seiner Architektur aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Den ganzen Tag sehen wir keine anderen Touristen und so tauchen wir mal wieder ein in das typische brasilianische Leben. Doch das „Juwel des Reconcavo“ mit der größten Ballung barocker Bauten ganz Bahias zeigt zwar einige schöne Gebäude, aber auch noch viel Renovierungsbedarf mit verfallender Bausubstanz. Wir sehen uns die idyllische Klosteranlage der Karmeliter mit der dazugehörigen Kirche Igreja e Convento N. S. do Carmo an, wobei letztere wie übrigens auch die anderen Kirchen im Ort geschlossen sind. Wir gehen in das ehemalige Gefängnis, das sich im Casa da Camera e Cedeia befindet. Bei beginnendem Regen kaufen wir beim brasilianischen „Schrauben-Willi“ ein, der alle möglichen Sachen und Schrauben hat. Über Nebenstraßen fahren wir in den nächsten Tagen weiter Richtung Westen. Vereinzelt sehen wir hübsch gestrichene Häuser und kleinere Bauernhöfe, die zu den kleineren Feldern gehören. Wir haben den Eindruck, dass die Menschen einen besseren Lebensstandard haben, weil sie die Felder selbst bewirtschaften können. Auch sehen wir kaum Müll herumliegen, wie es sonst der Fall ist. Maniokwurzeln werden von Frauen am Rand der schlechten Straße geschält. Hühner und Ziegen werden gehalten. Vor den Häusern sehen wir auch viele schöne Blumenbeete mit Rosen, Dahlien und Gladiolen.

 

Hier im Reconcavo gibt es fruchtbares Land und genügend Wasser. Vor uns sehen wir nun den Paraguacu-Stausee, den wir auf einer Mini-Fähre überqueren.

Auf der Weiterfahrt nach Westen wird die Gegend immer trockener mit den ersten Kakteen. Wir sind im steppenartigen Sertao in dem es nur vereinzelte Fazendas gibt. Uns überholt ein Auto, der Beifahrer winkt uns zu und zeigt „7:1“, das Ergebnis des WM-Spiels zwischen Deutschland und Brasilien. Und das passiert uns öfter. Die Brasilianer haben echt Humor! Den brauchen auch wir immer wieder, wenn wir die großen Schlaglöcher plötzlich vor uns sehen, die manchmal vor uns auftauchen. Entgegenkommende LKW-Fahrer warnen uns mit den aneinander reibenden Daumen und Zeigefinger, dass eine Polizeikontrolle folgt. Wir dürfen aber weiter fahren. Die Straße führt nun durch hügeliges Land mit roten Felsen und ärmlichen Lehmhütten. Hier leben wirklich arme Menschen. Jahrelang regnet es hier nicht. Welche Perspektive haben sie hier eigentlich? Kein Wunder, dass aus dem Sertao immer mehr arme Menschen wegziehen in die großen Städte der Küste. Dort schlagen sie ihre ärmlichen Behausungen am Rande der riesigen Favelas auf und hoffen auf ein besseres Leben.

 

Der Ort Lencois befindet sich am Rand des Parca National da Chapada Diamantina, der 1985 eingerichtet wurde und zu dem die über 1.000 m hohe Berglandschaft der Serra de Sincora gehört. Wir fahren durch die engen Kopfsteinpflasterstraßen zur Kirche, neben der sich der Campingplatz und Pousada Luminar befindet. Der Platz liegt sehr schön praktisch mitten im Ort auf einer Wiese, teils unter hohen Bäumen. Wir stellen unseren Vagabundo etwas abseits auf, denn unter dem Cachaca-Baum mit seinen fußballgroßen gelben Früchten, die bis zu 10 kg schwer sind, ist es uns zu gefährlich. Bei der Pousada haben wir kurzfristig WIFI. Hier gefällt es uns und so soll der Platz unsere Station für die nächsten Tage sein.

 

Unsere ganztägige Rollertour von 130 km führt uns zunächst ständig bergauf in die Serra de Sincora im Nationalpark Chapada Diamantina. Wir erreichen den Pai Inácio-Pass auf über tausend Meter und dann geht’s runter auf die andere Seite der Berge. Je weiter wir fahren, desto mehr scheint die Sonne. Die Landschaft und das ganze Klima ist wesentlich trockener, als auf der östlichen Seite der Berge, wo sich die wenigen Wolken abregnen. Wir sind in einer Steppenlandschaft mit kahlen Sträuchern und einigen Kakteen. Was für ein Unterschied auf nur 30 km Luftlinie. Wenig später machen wir mir der Führerin Feliza eine Höhlenbesichtigung der Lapa Doce. Dabei sind auch Tatjana und Maroni, die beide gut Englisch sprechen und uns bei der Besichtigung Einiges übersetzen. Über einen Pfad geht es hinunter in den großen Höhleneingang. In der beeindruckenden 20° Grad warmen und trockenen Höhle sehen wir riesige Stalagmiten und Stalagtiten, die sich in Jahrtausenden gebildet haben. Dann fahren wir in der Mittagshitze über die Erdstraße 7 km zur Gruta Azul und baden im herrlich klaren und warmen Wasser des Sees außerhalb der Grotte. Über eine Treppe gehen wir hinein in die Grotte, in der man Schnorcheln kann.

 

Über 20 km fahren wir teilweise im Schritt-Tempo eine manchmal steinige und ausgewaschene Erdstraße. Ein Brasilianer auf einem Pferd kommt uns mit seiner Rinderherde entgegen. Endlich haben wir wieder Teerstraße unter den Rädern, als wir hinauf in die Serra de Sincora fahren. Kurz vor dem Pass biegen wir links ab auf die Erdstraße, die zu einem kleinen Parkplatz führt. Vom Parkplatz aus wandern wir mit etlichen anderen Leuten über einen Wanderpfad hinauf auf den Pai Inacio in 1.200 m Höhe. Wir kommen gerade rechtzeitig oben an, als die warme Spätnachmittagssonne schöne Schatten der Berge erzeugt. Es ist klare Luft und so haben wir eine herrliche Fernsicht auf die Tafelberge. Am Gipfel sind etwa zweihundert Leute und warten auf den Sonnenuntergang. Wir machen uns schon vorher auf den Rückweg, kommen aber trotzdem in der Dunkelheit in Lencois an.

 

Morgens ruft wieder einmal die Kirche in Lencois zur Andacht. Aber nicht mit Glockenläuten, sondern mit lautem Geknalle von Feuerwerk, und das mehrmals am Tag. Das kann wirklich keiner überhören. Entsprechend gut gefüllt ist die Kirche. Wir wandern in der Hitze des Nachmittags zu den natürlichen Wasserbecken, die der Rio Serrano im Laufe von Jahrtausenden gebildet hat. Ich bade wie auch ein paar andere Leute im Pool im erfrischenden, aber nicht kalten Wasser. Lencois ist stolz auf seine sauberen Straßen und ständig sind Arbeiterinnen und Arbeiter mit Besen unterwegs. Dieser Ort gefällt uns wirklich. Wir schlendern durch die idyllischen und am Abend beleuchteten und immer mehr belebten Gassen. In einer Gasse setzen wir uns an einen Tisch des Restaurants Bodega. Es ist wirklich eine angenehme Atmosphäre hier, wo 1844 Diamanten gefunden wurden. Der Ort wurde daraufhin immer größer und war die drittgrößte Stadt von Bahia. Ende des 19. Jahrhunderts war aber der Diamantenboom vorbei und heute leben dort nur noch etwa 5.000 Menschen. Erhalten geblieben sind aber viele Gebäude aus der damaligen Zeit, so dass man sich ein wenig in das vorletzte Jahrhundert zurückversetzt fühlt.

 

Eine kleinere Wanderung führte mich auf einem Pfad in den Parca National da Chapada Diamantina durch den dichten, aber recht trockenen Urwald, in dem sich irgendwo abseits noch Jaguare rumtreiben sollen. Nach ein paar Kilometern biege ich einen Pfad rechts ab hinunter zum Rio Serrano. Dort springe ich über größere Felsen und Steine zum anderen Ufer und gehe weiter über die Felsen stromaufwärts an kleinen Stromschnellen vorbei bis zu kleineren Wassserfällen, an denen ich noch hochklettern kann. Später mache ich Halt an einem kleinen Wasserfällchen, wo ich eine erfrischende Dusche nehme und im Pool im klaren Wasser bade. Eine herrliche paradiesische Gegend ist das hier. Im Nationalpark befinden sich auch die höchsten Wasserfälle Brasiliens, die allerdings sehr abgelegen sind und nur mit Führer erwandert werden sollten.

 

Weiter südlich stellen wir unseren Camper in Andarai ab und sind natürlich die einzigen Touristen weit und breit. Entsprechend werden wir mit unserem seltsamen Gefährt beäugt. Neben der Schule fragen wir bei einem Haus, ob wir auf dem Grundstück übernachten können. Das geht nicht, aber direkt vor dem Haus an der Straße könne man sicher stehen, wird uns mehrfach versichert. Ich gehe noch etwas umher und ein etwa acht Jahre alter Junge spricht mich an. Wir gehen auf die Brücke und er setzt sich auf die niedrige Mauer. Ich mache ihm klar, dass das aber gefährlich ist, er kann da schnell runterfallen. Doch er zeigt nun zum Himmel, sagt etwas von „DEUS“ und meint damit, der liebe Gott passt schon auf ihn auf. Dieser Glaube ist in Brasilien anscheinend weit verbreitet, denn nach diesem Motto fahren auch einige Leute Auto und LKW. Schon um 6 Uhr morgens sind Leute von der Kommune unterwegs und fegen auf dem Schulhof und auf den Straßen Andarais. Dadurch, dass die Einwohner immer wieder ihren Müll einfach auf die Straße werfen, haben die Arbeiter auch immer wieder Beschäftigung. Das ist auch eine Möglichkeit der Beseitigung von Arbeitslosigkeit. Von einem Mann auf einem Motorrad werden wir mit Handschlag begrüßt und herzlich in Brasilien willkommen geheißen. Wir verstehen zuerst natürlich mal wieder nur „Bahnhof“, bedanken uns dann aber genauso freundlich.

 

Dann fahren wir mit dem Roller ins 47 km entfernte Mucugé. Die Fahrt geht in etlichen Kurven bergauf und bergab. In Mucugé angekommen, holpern wir über die Felsplatten-Hauptstraße. Dann spazieren wir durch den Ort, in dem anscheinend die meisten Leute Siesta machen und fahren zum Friedhof. Im unteren Bereich haben die einfachen Leute in kleinen Gräbern in einer Mauer ihre letzte Ruhe gefunden, während über den reichen Verstorbenen viele große Gruften im byzantinischen Stil errichtet wurden. Alle Grabmale sind einheitlich aber lieblos weiß gestrichen. Auf der Rückfahrt besichtigen wir noch das interessante Museum der Diamantensucher, das sehr passend unter großen Felsen gebaut wurde. Dicke Wolken liegen über den östlichen Ausläufern der Serra de Sincorá, über die wir nun wieder rüberfahren müssen. Unser Roller zieht gut die Berge rauf und dann kommen wir bei zunehmendem Wind mehrfach in kräftige Regenschauer, die dann erst kurz vor Andarai aufhören. Sogar die Sonne zeigt sich noch, so dass wir noch etwas über die mit großen Steinen gepflasterten Straßen des Ortes fahren.

 

Mit dem Wohnmobil verlassen wir am anderen Tag diese Gegend und fahren wieder Richtung Atlantik. Ein LKW überholt uns trotz Gegenverkehr am Berg. Ein weiterer 25 m langer LKW überholt auch noch, so dass ich abbremsen muss, um einen Unfall zu vermeiden. Das wird hier einfach von den anderen Fahrern erwartet. Mal wieder passieren wir einen Posten der „Policia Rodoviaria Federal“, der Bundesstraßen-Polizei. Die sind vorher durch Schilder, rot-weiße Pyramiden und Lombadas angekündigt. Dort sind immer wieder viele konfiszierte (beschlagnahmte), Autos und Motorräder abgestellt. Sie gehörten Leuten, die ihre Steuern nicht bezahlt haben, einen Unfall hatten oder sonst mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Aus manchen Autos wächst schon hoch das Gras heraus.

 

Um Amargosa wird die Gegend plötzlich grüner mit Palmen und Bananenstauden. Dort sieht uns schon von weitem eine Schulklasse, die uns laut zujubelt, als sie „Alemania“ lesen. Die Leute putzen ihre Häuser und fegen ihre Grundstücke und werfen den Abfall hinters Haus auf öffentliches Gelände in den Graben. Durch herrlich dichten Regenwald fahren wir Richtung Costa do Dende. An der Straße Bananenstauden und Eukalyptusbäume und kleine Imbissbuden, an denen es Hausmannskost gibt. Valenca ist ein wirklich hässlicher Ort und es herrscht reges Treiben, natürlich auch auf den Straßen. Aber wir wollen dort nur für ein paar Tage unseren Camper abstellen um mit dem Schiff auf die traumhafte Insel Tinharé zum Ort Morro de Sao Paulo überzusetzen. Dort wollen wir uns ein paar Nächte in eine Pousada einmieten. Wir werden in Valenca schon von etlichen Männern angesprochen, die uns alles Mögliche für Tinharé anzubieten haben. Schließlich sagen wir zu einem Mopedfahrer, dass wir nur einen Parkplatz suchen. Er fährt vorweg und leitet uns zu einem Platz, auf dem wir wegen unserer geringen Bodenfreiheit gerade so drauffahren können. Dort stehen nur PKW überdacht. Darunter passt unser Camper nicht. Und pro Tag wollen die 60 R$, also 20 € haben. Das ist uns zu viel und außerdem kommt uns die ganze Umgebung nicht ganz sicher vor.

 

Bei nachlassenden Nieselregen-Schauern, führt die später gut geteerte Küstenstraße hügelauf und hügelab durch ursprünglichen atlantischen Regenwald, der mit seiner dichten und abwechslungsreichen Vegetation beeindruckt. In der Dunkelheit erreichen wir die engen Ortsstraßen von Itacarè und suchen nach einem der Campingplätze. Diese sind aber nur für Zelte vorgesehen und die Einfahrten entsprechend niedrig. Also stellen wir unser rollendes Zuhause einfach an den Rand der Sandstraße neben eine Pousada unter einer Laterne ab und verbringen eine tropisch-warme und ruhige Nacht. Unser Camper ist inzwischen vom Dreck ganz grau gut getarnt und niemand belästigt uns - außer den jede Nacht nervenden Mosquitos. Anderntags gehen wir über die rotbraune Erdstraße zum nur 200 m entfernten Strand Praia da Concha (Muschelstrand), hinter dem sich viele Palmen, einige Restaurants und Bars befinden. Hier sind kaum Touristen unterwegs, es ist schließlich keine Hauptsaison. Über den Fluss Rio de Contas blicken wir hinüber zur Praia do Pontal, wo sich ein breiter, menschenleerer Traumstrand mit Palmen 6 km entlang zieht. Wir gehen dann weiter zum gleich anschließenden Ort Itacaré mit dem kleinen Hafen. Hier liegen die Boote bei Ebbe gerade auf dem Trockenen. Am Ende des Ortsstrandes kehren wir bei einer kleinen einfachen Bar ein, trinken ein Wasser und genießen den Blick auf Strand und Ort. Wir werden von zwei Brasilianern angesprochen, verstehen kaum etwas. Trotzdem „unterhalten“ wir uns mit einigen portugiesischen Vokabeln und per Zeichensprache mit den beiden, die gerade ihren Cachaca-Schnaps aus dem Wasserglas trinken. Der eine ist Nilson und ist wohl Lehrer, spricht minimal Englisch und der andere wird Penguin genannt. Er ist Elektriker und österreichischer Abstammung. Das sieht man ihm auch an, denn er passt eigentlich mehr in die österreichischen Alpen. Es entwickelt sich ein lustiges „Gespräch“, bei dem es um die WM und unsere Reise und deren Leben geht. Nilson legt seine beiden Hände auf seine Brust zum Herzen, wenn er über die deutsche Fußballnationalmannschaft spricht. Ich trinke noch einen Cachaca mit und wir kaufen ein paar Stücke von der guten örtlichen Nuss-Schokolade, denn wir sind hier an der Kakaoküste Brasiliens. Kurz besichtigen wir noch das Treiben im kleinen Hafen am Rio de Contas, wo die Fischer ihren Fang schon in den kleinen Gebäuden der Fischverarbeitung abgeliefert haben. Die Fischer wohnen hier mit ihren Familien noch wie vor hunderten Jahren direkt am Hafen in ihren kleinen zweistöckigen bunten aber etwas heruntergekommenen Häusern. Weiter oben am Hang gibt es dann schöne gepflegte Pousadas mit Blick auf das Meer. An der Praia da Concha hat die Flut inzwischen nur noch einen zwei Meter breiten Strand übergelassen hat. Bei etwa 30° Grad setzen wir uns in den Schatten einer Bar am Ende des Strandes, trinken eiskalte Coco Gelado und beobachten Wellen und die wenigen Leute.

 

Wir verlassen Itacaré, wo es südlich ein paar einsame Palmenstrände gibt, die aber nur über schmale, schlechte Erdstraßen zu erreichen sind. Sie sind von Mata Atlantika umgeben und werden als das Hawaii Brasiliens gepriesen. Auf der gut geteerten BA 001 fahren wir an dem nun als Costa do Cacao bezeichneten Küstenabschnitt bei wenig Verkehr gemütlich durch eine der bisher tollsten Landschaften mit dichtem undurchdringlichem brasilianischem Regenwald. So stellt man sich Brasilien vor. Von den Hügeln haben wir immer wieder schöne Ausblicke, allerdings gibt es leider keine Parkmöglichkeiten. Vereinzelt sehen wir in bewirtschafteten Gebieten Fazendas. Kurz vor Serra Grande steht eine Frau am Straßenrand, die mitgenommen werden möchte. Ich halte und es stellt sich heraus, dass es eine Deutsche ist. Silvia lebt seit ihrem siebenten Lebensjahr in Brasilien und arbeitet an der nahen Waldorfschule als Lehrerin. Das Projekt wird von Waldorfschulen in Deutschland durch Spenden gefördert.

 

Die Umgebung hier gefällt uns und nachdem wir außen um Serra Grande herum gefahren sind, folgt ein grandioser Blick auf die palmenbestandene endlose Küste und den Praia Pé de Serra. Hier ist auch erstmals ein Mirante (Aussichtspunkt), an dem wir halten und an dem einfachen Stand Coco Gelado trinken. Wir kommen kurz mit einer jungen Familie aus Kalifornien ins Gespräch, die hier ein neues Zuhause suchen. Den Amerikanern gefällt das relaxte Leben hier in Brasilien. Der Mann ist Ingenieur und er meint, er könne per Computer von hier aus sein Geld verdienen. Wir fahren also runter zum Strand Praia Pè de Serra und finden neben dem Restaurante doch tatsächlich ein kleines Schild zu einem leeren Campingplatz. Wir stellen unseren Camper zwischen hohen Palmen nur 50 m vom feinen Sandstrand entfernt ab, ein traumhaftes Plätzchen. Ein Alptraum sind allerdings die Sanitäranlagen, unglaublich! Sowas haben wir noch nie im Leben gesehen. Gut, dass wir mit unserem Vagabundo so gut ausgestattet sind. Vom Angeln im Meer komme ich ohne Fische zurück. Zur Strafe muss ich für das Abendessen ein Kilo Shrimps auspuhlen. Frau, ist das anstrengend, das geht ja echt in den Rücken! Wir sitzen noch draußen in der Dunkelheit und beobachten die Sterne, vor die sich dann aber in paar Wolken schieben. Das Rauschen der Wellen begleitet uns in den Schlaf. Uns gefällt es hier so gut, dass dieser Platz für eine Woche unsere „Insel“ sein soll, von dem wir unsere Ausfahrten mit dem Roller unternehmen wollen.

 

Nach dem Frühstück bade ich bei 25° Grad unter grauem Himmel und leichtem Regen im warmen Atlantik. Der Regentag kommt uns ganz gelegen, denn das ist das richtige Wetter, um die Reiseberichte der vergangenen Wochen zu schreiben. Wir telefonieren von hier aus nach Zuhause. Wie einfach ist das Telefonieren heute, wenn wir an die Umstände vor 27 Jahren in Mexico denken. In den nächsten Tagen faulenzen wir, joggen am Strand und baden.

 

Mit unserem Roller fahren wir ca. 10 km Richtung Norden, um uns die Waldorf-Schule Escola Rural Dende da Serra von Serra Grande/Bahia anzusehen. Das idyllische Schulgrundstück ist seit 2001 nach und nach entstanden und befindet sich in einer paradiesischen Gegend. Viele Pflanzen, Bananenstauden und Palmen sowie ein kleiner angelegter Gemüsegärten befinden sich in der Anlage. Wir gehen über eine kleine Brücke den schmalen Weg auf den Hügel, wo mehrere Gebäude der Schule durch Spenden aus Deutschland errichtet wurden. Wir fragen nach Silvia, die uns gleich entgegenkommt und sich über unseren Besuch freut. Wir besichtigen das Gebäude des Kindergartens und erfahren, dass das aufwändige Dach des Gebäudes von deutschen Zimmerleuten gebaut wurde, die hier auf der Walz waren. Draußen und drinnen ist alles sehr gepflegt und die Kindergärtnerin spielt mit den Kleinen auf dem Boden. In den anderen Gebäuden ist Schulunterricht der insgesamt acht Klassen. Und ringsherum diese herrliche Natur, wirklich ein kleines Paradies für die Kinder, die vor allem aus armen Familien kommen.

Wir werden dieses gemeinnützige Projekt mit einer Spende unterstützen und weisen bei dieser Gelegenheit schon auf unseren Homepage-Menüpunkt „Spenden für gemeinnützige Zwecke“ hin, auf dem die Internet-Adresse www.freunde-waldorf.de und weitere Informationen über das Projekt zu finden sind. Wir würden uns freuen, wenn auch Leser unserer Homepage diese sinnvolle Einrichtung unterstützen. Sie erhalten selbstverständlich eine Spendenquittung.

 

Am Campingplatz fahre ich unseren Camper ein paar Meter weiter. Bei dem starken Wind biegen sich die 20 m hohen Palmen doch mächtig zur Seite und die schweren Kokosnüsse könnten das Dach beschädigen. Nach etwa 20 km Fahrt mit dem Roller erreichen wir über eine steile Straße den Praia Itacarezinho. Von oben bietet sich ein traumhafter Blick auf das Meer und den Strand, der von Palmen gesäumt wird. Wir spazieren links zu einem kleinen Wasserfall und zu den Felsen und dann nach rechts durch den kleinen Fluss zum Beginn des langen Praia do Pompilho. Dort biegen sich die Palmen fast senkrecht über den weißen Sandstrand, paradiesisch wie in der Südsee. Wir setzen uns unter eine Palme und beobachten die aktiven Krebse und die wenigen anderen Leute. Hier wird in der Hochsaison der Bär los sein. Dann fahren wir noch weiter durch den atlantischen Regenwald und kehren beim Café Com Cacau ein. Auf der Rückfahrt überholt uns ein Allradfahrzeug mit Dachzelt und Schweizer Kennzeichen. Die Beifahrerin winkt uns aus dem Fenster zu. Wir halten und lernen Claudia und Kurt kennen, die seit 4 Monaten in Südamerika unterwegs sind und in dieser Zeit schon 30.000 km gefahren sind. Sie sind oft in Südamerika unterwegs und kommen jetzt aus Venezuela. Sie fragen, wo wir campen und wir lassen sie uns zum schön gelegenen Campingplatz folgen. Dort gefällt es auch ihnen und sie bleiben zwei Nächte. Sie geben uns nützliche Infos über Südamerika.

 

An einem Tag unternehmen wir eine Rollertour nach Serra Grande und dann links ab in den brasilianischen Urwald. Nach den ärmlichen Häusern am Ortsrand sind zunächst noch einzelne Fazendas zu sehen. Die Erd- und Steinstraße ist heute glücklicherweise trocken, aber bei Regen kann sie zu einer unangenehmen Schlammpiste werden. Trotzdem müssen wir langsam fahren und kommen nach etwa 10 km in den Parque Estadual Serra do Conduru, wo der Urwald Mata Atlantica geschützt ist und eine riesige Fläche einnimmt. Nach weiteren Kilometern hügelauf und hügelab und über viele Steine stellen wir an einem kleinen Weg unseren Roller ab. Kein Mensch weit und breit. Dann wandern wir einen Kilometer in den ruhigen Regenwald, bis der Weg sumpfig wird. Auf der Weiterfahrt kommt uns auf der einsamen Erdstraße in der Nachmittagshitze zu Fuß ein pechschwarzer Landarbeiter mit schwitzendem Oberkörper, wildem langen lockigen Haar und der Machete in der Hand langsam entgegen. Ich frage ihn, wie weit es noch bis Uru……. ist (der Ort heißt übrigens Urucuca, der genaue Name war mir entfallen). Der schwarze Mann nuschelt irgend etwas. Dann frage ich erneut nach. Er fängt plötzlich am ganzen Körper an zu zittern und sagt mit stechendem Blick Uru……., Urucu …, kommt ins Taumeln und fällt dann fast rückwärts in den Busch. Ich befürchte schon, das Knattern unseres Rollers hat ihn so erschrocken. Wir sagen „Obrigado“ und „Tchau“ und dampfen ab, bevor er mir noch mit seiner Machete einen Scheitel zieht. Wir lachen uns auf der Rückfahrt kaputt. Was hat der Bursche wohl heute zu sich genommen?

 

Mit dem Wohnmobil geht es weiter auf der bis zur großen Stadt Ilheus, wo wir am Straßenrand hinter dem Strand anhalten und den Surfern in den hohen Wellen zusehen. Am Stand kaufen wir sehr preiswert Coco Gelado, Zitronenlikör und exotische Früchte. Die Leute freuen sich, dass wir Fremde bei ihnen einkaufen. Ich gehe zu den vier Truckern, die neben ihrem LKW einen kleinen Grill aufgebaut haben. Sie brutzeln so bei ihrer eigenen „Churrascaria“ angenehm duftendes Asado und Würste, die ich dann auch probieren muss. Im Gegenzug bringe ich ihnen zwei Scheiben unseres Vollkornbrotes, bestrichen mit niedersächsischer Rotwurst und Knackwurst.

 

Vorbei an den Stadtstränden mit Bars und Restaurants erreichen wir hinter Olivenca später den schönen Campingplatz Sitio Itaparica. Hier stehen wir auf dem gepflegten Rasen super zwischen Palmen. Die Sanitäranlagen sind vorbildlich sauber und der Mitarbeiter bringt uns sogar einen eigenen Mülleimer. Wir gehen am fünfzig Meter entfernten Sandstrand entlang, der sich viele Kilometer lang erstreckt und von Palmen gesäumt ist. Hinter den Palmen verstecken sich immer wieder Wochenendhäuser und teure Villen. Außer uns stehen hier noch zwei brasilianische Wohnmobile. Ein selbstgebautes von Marta und Regis und ein großes teures Alkoven-Fahrzeug ausgezeichneter brasilianischer Produktion mit Slide-Out von Aurea und Wigold. Wigolds Großeltern sind aus Deutschland vor hundert Jahren nach Brasilien ausgewandert und er erzählt uns in überraschend perfektem Deutsch einiges über das Land. Die vier hatten in 30 Jahren noch nie das Problem gehabt, dass die Wohnmobile aufgebrochen wurden. Sie übernachten allerdings immer auf Campingplätzen.

 

In den nächsten Tagen machen wir mit unserem Motorroller einige Touren entlang der Costa do Cacao. Hinter den langen Sandstränden nördlich befinden sich immer wieder Bars. Dort kehren wir ein und beobachten bei herrlichem Sonnenschein die aktiven Krebse unter unserem Tisch und die wenigen Menschen am Strand. Auf der Fahrt zurück bewundern wir die Surfer am Praia Back Door, mit den angeblich drittbesten Wellen Brasiliens. In einem kleinen Örtchen kaufen wir 1 Kilo Fische für umgerechnet 3 € und unser Abendessen ist gerettet.

 

Eine Rollertour führt uns hügelauf und hügelab durch schöne unbewohnte Urwald-Landschaft mit vielen Palmen, aus deren Stamm heraus Farn wächst. Im 27.000-Einwohner-Ort Una herrscht ursprüngliches brasilianisches Treiben und es gibt gar keine Touristen. Una ist der drittgrößte Kakaoproduzent Bahias. Wir rollern weiter nach Camandatuba, um die Insel mit ihren langen Palmen-Sandstränden zu besichtigen. Doch am Bootsanlager erfahren wir, dass der Zugang mit dem Schiff nur für die Hotelgäste des teuren Inselresorts „Transamericana“ möglich ist. Über einen holprigen Erdweg, der in einen unbefahrbaren Sandweg übergeht, wollen wir später zu einer beschilderten Fazenda. Vor dieser ist aber nichts zu sehen, nur ein paar ärmliche Blechhütten und Brachland. Auf der Weiterfahrt mit unserem Wohnmobil zeigen uns etwa achtjährige Schüler fröhlich die „7“, als sie „Alemania“ lesen. Das Ergebnis der FußballWM wird wohl noch in ihren Köpfen bleiben, bis sie in Rente gehen. In der Umgebung von Vila Oiticiaca, mit seiner Ansammlung zusammengeschusterter Holzhütten sieht es so ärmlich aus wie vor fast 30 Jahren in Mittelamerika. Nur sieht man hier auch auf den kleinsten Hütten große SAT-Schüsseln. Fernsehen ist für die Brasilianer wichtig und die Flimmerkiste läuft oft den ganzen Tag. Am beliebtesten sind die abendlichen Telenovelas. Die Filme spielen zurzeit im Mittelalter mit aufwändig gebauten bunten Märchenlandschaften und Gebäuden und eigenartig verkleideten Menschen mit völlig übertriebener Mimik. Einfach unerträglich! Dem Campingplatz in Canavieiras gibt es nicht mehr. Also raus aus dem unansehnlichen Ort, wo gerade jemand eine Karre mit einem plärrenden Lautsprecher schiebt und die Leute mit Werbung und Musik bombardiert.

 

Bei der Weiterfahrt auf der BR 101 Richtung Süden kommen wir in der Dämmerung vorbei an Behausungen, die nur durch schwarze Plastikplanen abgedeckt sind. Das ist das ärmlichste, das wir bisher in Brasilien sahen. Dabei fällt uns ein, dass wir auf unserer bisherigen Reise niemals Leute getroffen haben, die sich gestritten haben. Alles geht hier sehr entspannt zu. Dafür sehen wir oft den Daumen oben und ein Lächeln. Es ist wirklich angenehm in diesem Land, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es auch Kriminalität mit Gewalt gibt. Wieder einmal muss ich scharf abbremsen, weil ein Trucker uns hinter einer Kuppe auf unserer Spur entgegenkommt. Entlang der BR 101 immer wieder ärmliche Hütten aus Pappe, Plastik, Blech. Lehm und Palmwedeln. Wir erreichen den größeren Ort Euranopolis, der hässlich ist wie die meisten anderen. Auf einer Parallelstraße werden immer wieder laute Knallkörper mitten im Ort gezündet. Wir erschrecken uns anfangs und denken, ein Reifen ist geplatzt. Anscheinend knallen die Leute aus einem fahrenden Auto heraus, denn das geht so fast einen Kilometer lang.

 

Die BR 489 führt uns Richtung Prado an die Costa Baleias (Küste der Wale). Menschen stehen mal wieder auf der schmalen Straße und klönen, lassen sich durch den Autoverkehr nicht stören. Wir fahren nicht drüber, sondern wie die anderen drum herum. Das funktioniert gut, solange kein Gegenverkehr herrscht. Es folgt flache Landschaft mit riesigen Rinderweiden der Fazendas bis zum Horizont. Vereinzelt stehen Palmen und in den Talmulden steht Wasser. Gemütlich fahren wir mit 60 km/h dann durch hügelige, teils bewaldete Gegend dem Meer entgegen. Prado ist ein geschäftiger Ort mit einer breiten gepflasterten Haupteinkaufsstraße, die in der Mitte noch viel Platz für Kirche, Kioske, Bars und Freifläche hat. Von brasilianischen Campern werden wir auf den Platz des Mar & Sol Praia-Hotel geleitet und verbringen eine Nacht hinter dem langen Sandstrand. Abends treffen wir uns mit Reynaldo und Nazareth im Ort und essen leckeres Acaí-Eis aus den gesunden Beeren des Nordens. Eine brasilianische Spezialität.

 

Mit unserem Motorroller fahren wir 62 km nach Caravelas, um uns wegen einer Katamaran-Tour zum Parque National Marinho de Abrolhos zu erkundigen. Der Meeres-Nationalpark liegt 70 km vor der Küste Brasiliens im Atlantischen Ozean. Zunächst biegen wir vor dem Ort links ab zum Instituto Baleia Jubarte und informieren uns dort. In Caravelas finden wir „Horizonte Aberto Catamaran“, wo wir die Tour für den nächsten Tag buchen. Auf der Rückfahrt machen wir noch einen Abstecher nach Alcobaca, wo viele große Boote im geschützten Hafen liegen. Ihren Fang vom Tage haben sie schon in den nahen Fischverarbeitungshäusern abgeliefert und entsprechend riecht es. Am langen Strand finden wir nur eine geöffnete Strandbar, sitzen fast am Wasser und sehen einer Familie beim Baden in den zum Teil 2 m hohen Wellen zu.

 

Zurück in Prado fahren wir zum CCB-Campingplatz am Strand des Praia do Farol, der uns auf Anhieb gefällt. Es ist nur ein älteres brasilianisches Wohnmobil mit zwei Gästen und ein Pförtner dort. Der Platz liegt herrlich etwa 5 m höher als der Strand und verfügt über Rasenflächen, etliche Palmen und im hinteren Bereich über viele schattenspendende große Bäume. Dazu ältere, aber sehr saubere Sanitärräume und ein kleines Restaurante. Das soll unsere „Insel“ für eine Woche sein. Beim Pförtner geben wir unsere ADAC-Mitgliedskarte ab. Das ist zwar nicht die notwendige Internationale Camping Card aber wir bekommen trotzdem eine Ermäßigung auf weniger als die Hälfte des Normalpreises. Zwischen Palmen finden wir einen der schönsten Plätze, die wir in unserem Camper-Leben bisher hatten. Von der Frontscheibe geht der Blick hinunter zum Strand und auf das Meer. Einfach traumhaft! Und Stromanschluss haben wir auch.

 

Rrrrrrrr plärrt der Wecker um halb fünf Uhr und eine knappe Stunde später starten wir noch in der letzten Dunkelheit warm angezogen die 70 km nach Caravelas. Nur ein paar Fahrradfahrer sind auf der Landstraße unterwegs. Natürlich ohne Licht, DEUS (Gott) passt ja auf. Wir fahren zügig und kommen rechtzeitig beim Büro des Tourveranstalters „Horizonte Aberto Catamaran“ an. Am Kai haben schon einige andere Passagiere in dem Katamaran Platz genommen, um die Fahrt zum 70 km entfernten Parque Nacional Marinho de Abrolhos mitzumachen. Es ist ein ziemlich neues Schiff und macht einen sauberen und gepflegten Eindruck. Vom Tourveranstalter sind vier Besatzungsmitglieder dabei, außerdem von der Naturschutzbehörde IBAMA zwei Mitarbeiterinnen. Im hinteren Außenbereich stehen schon mehrere Obstschalen für uns Passagiere bereit. Außer der Crew sind 27 Personen an Bord. Der Katamaran startet pünktlich um 7 Uhr über das zunächst noch ruhige Wasser des breiten, braunen Rio Pardo und der geschützten Bucht von Caravelas. Alle versammeln sich und erhalten eine ausführliche Einweisung in Portugiesisch, wovon wir natürlich nichts verstehen. Mit einer Mitarbeiterin der IBAMA können wir uns aber auf Englisch verständigen. Sie macht auch ständig Aufzeichnungen und Fotos. Die wenigen Wolken sind schnell verschwunden und wir haben herrlichen Sonnenschein, als wir bei nun bei voller Leistung der Motoren den Wellen auf zunehmend klarerem Wasser Richtung Osten entgegenbrausen. Die Küchenfee macht auf Bestellung ständig frische Sandwiches. Getränke, Kaffee und Kekse stehen bereit. Nach etwa einer Stunde sichten wir die ersten Buckelwale. Der Steuermann verringert die Geschwindigkeit des Katamaran und die Kameras klicken. In der weiten Umgebung der Abrolhos-Inseln wird die Population der Buckelwale auf bis zu tausend Tiere geschätzt. Sie suchen zwischen Juli und November die warmen Gewässer um die Abrolhos auf, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Auf der Weiterfahrt sehen wir immer wieder diese mächtigen Säugetiere, die bis zu 16 m lang und bis zu 40 Tonnen schwer werden. Dabei können wir auch Muttertiere mit ihren Kleinen erkennen, die schon bei der Geburt vier Meter lang sind. Ich stehe fast eine Stunde lang ganz vorn an einer der Spitzen des Katamarans, der gegen die Wellen ankämpft und es geht bis zu vier Meter auf und ab. Nach mehreren Wal-Stopps und dreieinhalb Stunden erreichen wir die Inselgruppe der Abrolhos. Wir gehen vor der Ilha Siriba vor Anker. Mit kleinen Schlauchbooten werden wir zur Insel gefahren, die als einzige von den fünf Inseln von Touristen vorsichtig betreten werden darf. Eine Mitarbeiterin von ICMBio führt unsere Gruppe ein paar hundert Meter über die Vulkaninsel, auf der zahlreiche Vogelarten nisten. Wir können in zwei Meter Entfernung an den brütenden Vögeln vorbeispazieren, denn sie haben keine Scheu. Zurück auf dem Katamaran haben wir die Möglichkeit, eine gute halbe Stunde zu schnorcheln. Das Wasser ist hier nur etwa 5 m tief und so kann ich mit der Unterwasserkamera durch die bunten Fischschwärme an Riff entlang tauchen und filmen. Die über 900 qkm großen Korallenriffe liegen allerdings weiter entfernt. Der Katamaran fährt dann ein Stück weiter vor die Insel Santa Barbara, die nur von ein paar Marinesoldaten und Mitarbeitern der IBAMA bewohnt ist. Dort gibt es einen weiteren Imbiss an Bord und frisch zubereitete Salate. Dazu werden tropische Obststückchen herumgereicht. Ich nutze die Gelegenheit, auch dort entlang der Riffe und Felsen zu schnorcheln. Besonders sehenswert sind die gelb-schwarzen Fische und blau leuchtenden Schwärme, mit denen ich mich durch die Strömung bei zunehmendem Seegang treiben lasse. Der Katamaran fährt zurück Richtung Westen. Immer wieder hält er an, weil auftauchende und blasende Wale zu sehen sind. Manchmal tauchen sie ab, bevor der das Schiff den Mindestabstand von hundert Metern erreicht. Aber einige Male kommen sie von selbst aus Neugierde dem Schiff immer näher und tauchen darunter durch. Einmal schwimmen mehrere Wale sogar rund um uns herum. So wird aus dem „Whale-Watching“ ein „Boat-Watching“. Sie verdrängen so viel Wasser, dass die sonst unruhige Meeresoberfläche ganz glatt ist. Insgesamt sehen wir auf der Tour etwa 60 Wale. Ein beeindruckendes Erlebnis. Wir kommen in die Bucht von Caravelas und fahren den breiten Rio Pardo hoch, als die Sonne orangefarben vor uns untergeht und sich der Vollmond hinter uns im Osten über dem Meereshorizont zeigt.

 

Mit dem Roller fahren wir vorsichtig durch die Dunkelheit zum Campingplatz in Prado zurück. Die nächsten Tage erholen wir uns auf unserem Traumplatz, joggen, machen Strandspaziergänge und baden in den Wellen des Atlantik. Ich helfe älteren Fischern, ihre schweren Holzboote die 20 Meter zum oberen Ende des Strandes vor der Flut in Sicherheit zu bringen. Die beiden Brasilianer japanischer Abstammung vom älteren Wohnmobil sind schon seit sechs Wochen hier und wollen noch bis November bleiben. Neu hinzugekommene Brasilianer sind schon zum sechzehnten Male hier. Sie wissen, warum.

 

Mit Roller und Laptop fahren wir nach Prado, wo es nach Wochen endlich mal wieder einen funktionierenden Internetanschluss gibt. Wir essen köstlichen Augenbarsch: Moqueca mit Shrimp und Beilagen. Am Abend nehmen wir am Strand unter klarem Sternenhimmel Abschied von diesem schönen Platz, auf dem wir es noch wochenlang aushalten könnten. Aber wir müssen ja Brasilien spätestens in zwei Wochen verlassen, da wir nur eine Genehmigung für 90 Tage haben.

 

Fortsetzung siehe Bericht Brasilien 4